Ob für das Familienalbum, zur Bebilderung von Zeitschriften oder für andere Zwecke — Fotografieren macht Spaß. Das Auge kann sich aber nur dann an den festgehaltenen Motiven erfreuen, wenn die Bilder wirklich gelungen sind. Um das zu erreichen, muß vor dem Drücken des Auslösers richtige »Kopfarbeit« geleistet werden
Ganz wichtig ist, daß die einzelnen Größen, wie Belichtungszeit, Tiefenschärfe usw. aufeinander abgestimmt sind. Die benötigten Werte lassen sich aus Tabellen ablesen oder müssen jedes Mal nach festgelegten Formeln berechnet werden.
Wolf Robrahn, von Beruf Fotograf, hat sich eine wesentlich bequemere Möglichkeit geschaffen: Umständliches Nachschlagen oder Ausrechnen der Werte erspart ihm sein »Fotolehrling«, der VC 20.
Vor etwas mehr als zwei Jahren fing alles recht »harmlos« an, als er sich entschloß: »Ich brauche einen Mikrocomputer, um Grundlagen der überall gefragten EDV-Kenntnisse zu erlernen.« Er kaufte einen ZX 81. Was er zu dem Zeitpunkt noch nicht ahnte, war, daß Mikrocomputer nur selten »keimfrei« sind. Mittlerweile hat sich nämlich herausgestellt, daß er sich mit dem Computer den Bazillus ins Haus geholt hatte, der auch bei ihm das weitverbreitete und bekannte »Computerfieber« auslöste. Es machte sich recht schnell bemerkbar, seine Frau und seine zwei Kinder trafen ihn immer häufiger in trauter Zweisamkeit mit dem Computer an. Doch die recht enthusiastisch angebahnte Beziehung zum ZX 81 entpuppte sich sehr schnell als Strohfeuer: Nicht etwa, daß Wolf Robrahn von seinem »Fieber« geheilt war — im Gegenteil — die Symptome hatten sich verstärkt. Sein Kenntnisstand und seine Fähigkeiten waren inzwischen soweit gewachsen, daß ihm sein Abend- und Wochenend-Freund nicht mehr genügte. Er wollte mehr. Zwei Alternativen standen zur Wahl: Die Standardausführung auszubauen oder ein größeres Modell »mit richtiger Tastatur« zu kaufen. Der computerbegeisterte Fotograf entschied sich für letzteres und besitzt seit zwei Jahren einen VC 20. Noch lieber wäre ihm der größere Bruder — der C 64 — gewesen, doch in Anbetracht der damaligen Preise gab es keine Vereinbarung zwischen diesem Modell und dem Familienbudget.
Am Anfang war das Spiel…
Anfangs probierte sich Wolf Robrahn im Programmieren von Computerspielen: Abenteuerspiele, Reaktionsspiele, Strategiespiele, Spiele mit oder ohne Grafik — zu jedem Thema entwickelte er Ideen und setzte sie mit dem VC 20 um. Doch die Spiellust erschöpfte sich bald. Es war an der Zeit, den Computer nutzbringend einzusetzen. Und was lag näher als ihn für Aufgaben heranzuziehen, die den Hobby- und Berufsfotografen entlasten.
Zwei »nutzbringende« Projekte sind seitdem schon realisiert: Die Einzelbild-Steuerung einer Super-8-Kamera mit dem VC 20 und das in diesem Artikel beschriebene Programm zum fotografischen Fachrechnen. Momentan baut Wolf Robrahn nach den Schaltplänen von Commodore eine Modulbox für seinen »Fotolehrling«. Die benötigten Platinen stellt er »selbstverständlich« auf fotografischem Wege her. Dabei fertigt er zunächst eine Zeichnung an, die mit einem Strichfilm abfotografiert wird.
Auf einem Strichfilm gibt es nur schwarze und weiße Darstellungen, keine Grauwerte. Für die weitere Verarbeitung ist es unabdingbar, daß die feinen Linien »wirklich schwarz« sind. Die Strichfilm-Aufnahme (Negativ) wird in der gewünschten Platinengröße auf eine Folie (Positiv) kopiert. Diese Folie ist die endgültige Vorlage: Sie wird auf die Platine gelegt, mit einer Glasplatte fest angedrückt und mit UV-Licht belichtet. Nach der Entwicklung lassen sich die auf die Platine übertragenen »Muster« ätzen. Auch das erledigt Wolf Robrahn selbst. Und noch ein Projekt hat der Hobby-Elektroniker geplant. Er möchte den VC 20 für eine totale Kamerasteuerung einsetzen: Der Computer soll ihm bei Trickfilmaufnahmen assistieren, indem er die Filmkamera vor- und rückwärts, nach oben und unten sowie nach rechts und links bewegen kann. Der Meister möchte sich selbst von diesen Tätigkeiten entlasten, um sich ausschließlich auf die Motive konzentrieren zu können.
Und jetzt wird gerechnet
Die Bilder zeigen Aufnahmen, deren Werte mit dem Programm »Fotografisches Fachrechnen» ermittelt wurden. Bei Bild 1 war es Ziel, das Tonbandgerät im Hintergrund unscharf erscheinen zu lassen, während das Mikrofon im Vordergrund scharf abgebildet ist. Es handelt sich dabei in erster Linie um ein Tiefenschärfeproblem. Mit dem Programm wurde der Tiefenschärfebereich ermittelt: Wolf Robrahn gibt nacheinander verschiedene Werte ein, bis einer der errechneten Schärfenbereiche zusagte (vergleiche auch das Anwendungsbeispiel weiter unten).
Fast bei jeder Mittelformat- und Kleinbildkamera gibt es eine am Blendenring eingravierte Tiefenschärfetabelle. Das Einstellen ist hier also kein Problem — man braucht nur richtig abzulesen (Bild 2). Schwieriger wird es, wenn man mit einer Vorsatzlinse arbeitet. Dann ist das Ermitteln der Tiefenschärfe am Blendenring nicht mehr möglich. Es muß gerechnet werden: Wieder ein Programm-Einsatz (Bild 3). Diese Beispiele sind nicht nur für Fotografien in Kleinbild- und Mittelformattechnik interessant, sondern ganz besonders auch bei der Großbildfotografie. Hier per Tastendruck die Bildgröße, Bildweite oder die korrekte Belichtungszeit zu ermitteln, ist eine wesentliche Erleichterung, die Wolf Robrahn vor allem bei Table-Top-Aufnahmen ständig nutzt.
Einen Haken hat das Ganze: Der VC 20 ist leider kein »Geländecomputer«, der in Feld, Wald und auf der Wiese genauso komfortabel einsetzbar wäre, wie auf dem heimischen Schreibtisch nahe der Steckdose. Bei Außenaufnahmen muß auch Wolf Rohbrahn die benötigten Werte ohne seine »Fotolehrling« ermitteln.
Hardwarevoraussetzungen für »Fotografisches Fachrechnen« ist ein VC 20 mit einer 8 KByte Speichererweiterung und einem Kassettenlaufwerk. Die grafische Darstellung (Bild 4) veranschaulicht den allgemeinen Ablauf des Programms.
Nachdem es geladen und mit RUN gestartet wurde, erscheint auf dem Bildschirm das Menu(vergleiche Abbildung rechts). Über die Zahlentastatur wird der gewünschte Menüpunkt angewählt und die bekannten Größen werden im Dialog eingegeben. Hierbei gilt es einige Punkte zu beachten:
Bei Längenmaßen muß immer eine Größeneinheit angegeben werden. Hierzu ein Beispiel: Wird die Brennweite erfragt und man gibt nur »12« ein, erscheint die Fehlermeldung »EINHEIT VERGESSEN«. Richtig ist es, »12 CM« oder »120 MM« einzugeben. Wichtig ist, zwischen der Zahl und der Meßeinheit eine Leerstelle zu setzen. Wird eine Eingabe gefordert, deren Größe nicht bekannt ist, genügt auch hier nicht einfach eine »0« einzugeben — selbst in diesem Fall ist die Angabe einer Maßeinheit erforderlich. Um eine einheitliche Berechnungsgrundlage zu haben, werden automatisch alle Längenmaße in Millimeter umgerechnet.
Bei der Blende muß ein Wert der internationalen Blendenreihe eingegeben werden. Hiernach sind folgende Eingabe-Werte zulässig: 1.4; 2; 2.8; 4; 5.6; 8; 11; 16; 22; 32; 45; 64; 90 und 128.
Auch hier zu ein Beispiel: Wird die Blende abgefragt und man gibt »12.5« ein, erscheint die Fehlermeldung »KEINE GUELTIGE BLENDE«. Erlaubt ist es, Blende »16« oder — da auch halbe Blenden einstellbar sind — »16*1/2« einzugeben. Das Sternchen zwischen 16 und 1/2 ist unbedingt zu setzen.
Erklärungen für die in dem Programm vorkommenden Fachbegriffe, wie Gegenstandsgröße, Bildweite und ähnliches können in dem Buch »Fotografie« von Kurt Dieter Solf, erschienen im Fischer Verlag, nachgeschlagen werden.
Ein kleines Beispiel
Ein Aufgabenbeispiel soll den Umgang mit dem Programm verdeutlichen:
Eine Briefmarke von 2 cm Breite und 3 cm Höhe soll formatfüllend mit einer Kleinbildkamera aufgenommen werden. Welche Vorsatzlinse ist notwendig, wenn eine Brennweite von 5 cm zur Verfügung steht. Der maximal einstellbare Nahbereich beträgt 40 cm.
Zu berechnen sind: Bildweite, neue Brennweite, Dioptrien-Wert (Brechkraft der Linse). Zunächst gilt es, die längste Bildweite festzustellen; dazu wird aus dem Hauptmenü das Untermenü 4 angewählt. Gefragt wird nach:
BILDGROESSE
Eingabe: 0 MM (zur Berechnung nicht wichtig)
BILDWEITE
Eingabe: 0 MM (Größe nicht bekannt, soll berechnet werden)
BRENNWEITE
Eingabe: 50 MM
GEGENSTANDSGROESSE
Eingabe: 0 MM (zur Berechnung nicht wichtig)
ENTFERNUNG
Eingabe: 40 CM
Ergebnis:
BILDWEITE = 5.7 CM
Die größte Bildweite beträgt also 57 Millimeter. Zur Berechnung der Brennweite wird abermals das Untermenü 4 angewählt. Gefragt wird wieder wie vorher:
BILDGROESSE
Eingabe: 36 MM (Kleinbildformat)
BILDWEITE
Eingabe: 57 MM (wie vorher errechnet)
BRENNWEITE
Eingabe: 0 MM (Größe nicht bekannt, soll errechnet werden)
GEGENSTANDSGROESSE
Eingabe: 3 CM
ENTFERNUNG
EINGABE: 0 MM (soll berechnet werden)
Ergebnis:
BRENNWEITE = 25 MM ENTFERNUNG = 4.7CM
Mit der neuen Brennweite läßt sich nun — über das Untermenü 3 — die gesuchte Vorsatzlinse berechnen.
Gefragt wird nach:
BRENNWEITE ALT
Eingabe: 50 MM
BRENNWEITE NEU
Eingabe: 25 MM
DIOPTRIEN
Eingabe: 0 (soll berechnet werden)
Ergebnis:
DIOPTRIEN = 20
Hiernach muß eine positive Vorsatzlinse von 20 Dioptrien Brechkraft benutzt werden, um die gestellte Aufgabe zu erfüllen. Wer die Rechnung überprüfen möchte, kann die Gegenprobe machen. Bei BRENNWEITE NEU muß hierbei »0 MM« und bei DIOPTRIEN »20« eingegeben werden.