C 64
So machen's andere

Der Computer im Kuhstall

Auch in der Landwirtschaft läßt sich ein Heimcomputer sinnvoll einsetzen. Ein Agrar-Ingenieur aus Baden-Württemberg berechnet mit seinem C 64 die Futterration für das Milchvieh.

Gras allein macht Kühe nicht glücklich. Ohne das richtige Ergänzungsfutter sinkt die Milchleistung.

Die Kunst der Fütterung von Milchkühen besteht nicht darin, ihnen etwas Freßbares in den Futtertrog zu werfen und dann zu warten, daß am Euter möglichst viel Milch herauskommt, meint Willi Lackenbauer. »Das Futter muß ausgewogen sein, sonst geben die Kühe nicht genug Milch«. Der Fachmann gibt seit zehn Jahren Landwirten Tips und berät sie bei der Viehhaltung.

Seit sechs Monaten setzt Willi Lackenbauer einen C 64 ein, um die Milchleistung in den Kuhställen zu optimieren. Für jede Kuh erstellt er einen maßgeschneiderten Plan. »Gras allein macht Kühe nicht glücklich — und nur glückliche Kühe geben viel Milch, das weiß sogar der Städter« meint Willi Lackenbauer. Er erläutert die Grundzüge der Fütterung: »Es kommt vor allem auf eine ausgewogene Nahrung an. Das ist beim Menschen ja nicht anders. Wer sich überwiegend von Fett und Kohlenhydraten ernährt, wird in seiner Leistungsfähigkeit nachlassen, weil ihm Eiweiß fehlt. In ähnlicher Weise wird auch das Futter für Kühe nach sogenannten Nährstoffeinheiten bewertet. Diese sind — nach Futtersorten geordnet — in Tabellen festgehalten. Bei der Rationsberechnung muß man davon ausgehen, daß die Kuh einen bestimmten Nährstoffanteil für ihren Grundbedarf benötigt. Erst was darüber hinaus gefüttert wird, wandelt sich in Leistung — sprich Milch — um. Dabei steht ziemlich genau fest, wieviel Nährstoffe für einen Liter Milch notwendig sind.«

Der Milchvieh-Experte gibt hierzu ein Beispiel: »Grünfutter ist ein ausgesprochener Eiweißlieferant, jedoch arm an Energie. Ohne Energie wird das pflanzliche Eiweiß nicht in tierisches Milcheiweiß umgewandelt oder Milchfett gebildet. Um das im Grundfutter enthaltene Eiweiß für die Milchleistung zu nutzen, muß energiereiches Kraftfutter zugefüttert werden.«

Mit der Kuhhaltung auf einem klassischen Bauernhof hat die moderne Milchviehhaltung nichts mehr zu tun. Seit Anfang der 60er Jahre hat sich beim Neubau von Ställen der sogenannte Boxenlaufstall durchgesetzt. Vierzig, achtzig und mehr Kühe in einem Stall. Jede Kuh kann frei herumlaufen. Will sie sich hinlegen, geht sie in ihre eigene Liegebox. Die Rangordnung in der Herde bestimmt, welcher Kuh welche Box gehört. Außerdem gibt es in einem Stall noch zwei ganz besondere Stände: den Melkstand und den Futterstand. Im Melkstand steht der Melker vertieft und hat die Euter in Griffhöhe vor sich. Ob mit der Melkmaschine oder — im Ausnahmefall — von Hand, die Kuh ist bequemer zu melken. Außerdem ist es recht praktisch, nicht er geht zur Kuh wie früher, sondern die Kuh kommt, um sich melken zu lassen. Damit sie ruhig steht, wird sie währenddessen mit Futter abgelenkt.

Für eine Aufnahme darf der Computer einmal im Futtertrog stehen. Ansonsten bevorzugen Mona, Lisa und die anderen leichter verdauliche Kost.

Heimlich »naschen« ist unmöglich

Der Futterstand ist ganztägig »geöffnet«. Immer wenn eine Kuh hungrig ist, geht sie fressen. Aber wie will man bei einer so großen Herde kontrollieren, wieviel jede frißt? »Da hat die Elektronikindustrie schon längst eine Lösung gefunden. Jede Kuh trägt einen elektronischen Code am Halsband, einen sogenannten Transponder«, erklärt Willi Lackenbauer schmunzelnd. Für ihn ist es selbstverständlich — doch der Laie wundert sich: Elektronik im Kuhstall. »Beim Eintreten in den Futterstand wird die Kuh identifiziert und bekommt eine Portion von 300 Gramm. Wegen der Verdauung ist es günstiger, das Kraftfutter in möglichst viele Portionen aufzuteilen. Hat eine Kuh ihre Tagesration aufgebraucht, bekommt sie auch bei mehrfachem Besuch des Futterstandes nichts mehr. Was jede Kuh tatsächlich gefressen hat, kann sich der Landwirt jeden Abend auf einem Ausdruck anschauen. Die Soll-Menge für jede Kuh richtet sich nach ihrer Milchleistung und wird in wöchentlichem Turnus angepaßt.«

Zwei Minuten statt zwanzig

Der Landwirt braucht sich nicht zu sorgen, solange seine Kühe soviel fressen wie sie sollen und die erwartete Menge Milch geben. Doch bei »Problemkühen« wird Willi Lackenbauer häufig um Rat gefragt. Er hilft herauszufinden, was bei Kühen nicht stimmt, die ihr Kraftfutter nicht aufgebraucht haben. »Ich brauche Angaben, was und wieviel die Kuh täglich frißt. Daraufhin berechne ich, von welchem Stoff sie zuviel oder zuwenig genommen hat. Eine Berechnung der Futterration dauerte im Normalfall etwa zwanzig Minuten. Das war mir irgendwann zu langweilig, denn ich brauche die Ergebnisse möglichst rasch für das eigentliche Beratungsgespräch.« Willi Lackenbauer griff auf die Elektronik zurück: Im Juli letzten Jahres kaufte er sich einen C 64 mit Kassettenrecorder. Für die Grundausstattung reichte ihm zunächst ein Fernseher zur Datenausgabe. Die erste Zeit war nicht besonders rosig: Probieren und Üben standen auf dem Programm — denn mit der bekannten Versuchs-und-Irrtums-Strategie kam er besser mit seinem Computer zurecht als durch den »Ratgeber« Handbuch. Im Januar erweiterte der inzwischen versierte Hobby-Programmierer seine Erstausstattung mit einem Drucker. Damit ging das Überarbeiten der Listings wesentlich schneller als am Bildschirm. Kurze Zeit später war auch das erste Programm, die »Rationsberechnung für Milchkühe«, fertig.

Seither ist der C 64 ein unentbehrlicher Assistent für Willi Lackenbauer: »Umständliches Heraussuchen von Tabellenwerten kenne ich nicht mehr. Das Multiplizieren der Daten mit der Futtermenge und das Addieren von Spalten erledigt der Computer in Windeseile. Mit der Dateneingabe dauert eine Rations-Berechnung jetzt nur noch knapp zwei Minuten. Das ist ein Zehntel der Zeit, die ich früher brauchte.«

Aus den Ergebnissen kann Willi Lackenbauer wichtige Schlüsse ziehen: »Ein Eiweißüberschuß oder das Verhältnis der Mineralstoffe im Futter sind Hinweise auf Fruchtbareitsstörungen. Und eine unfruchtbare Kuh gibt auch keine Milch. So merkwürdig sich das anhört, diese Störungen lassen sich unter Umständen durch billigeres Energiefutter ausgleichen. Medikamente oder teures Kraftfutter sind oftmals gar nicht nötig«.

Neben seiner Berater-Tätigkeit kümmert sich Willi Lackenbauer auch um den Nachwuchs. Er ist Lehrer an einer landwirtschaftlichen Fachschule. Sein Programm setzt er natürlich auch im Unterricht ein. Bei Klassenarbeiten zum Thema Futterrationen müssen die Schüler zeigen, daß sie Futtermengen für Milchvieh selbst zusammenstellen und berechnen können. Heute kann der Lehrer jedem seiner Schüler individuelle »Problemkühe« auf dem Papier vorsetzen. Die Korrektur der Arbeiten ist mit dem C 64 ein Kinderspiel: Binnen zwei Minuten weiß er, ob die jeweilige Berechnung richtig ist. Vorher wäre es unmöglich gewesen, bei jedem Schüler andere Aufgaben zu überprüfen.

»So wie ich als Berater und Lehrer, kann jeder Milchviehhalter eine Menge Zeit sparen. Der Computer ist ohne Zweifel eine lohnenswerte Anschaffung. Die Futterrationen müssen nämlich nicht nur bei Problemkühen berechnet werden, sondern bei jedem Wechsel des Grundfutters. Das hängt von der Jahreszeit ab. Einmal ist es frisches Gras, dann Heu oder Futter aus dem Silo. Wer eine optimale Fütterung betreiben will, muß enorm viel Zeit für Rechnerei opfern. Bei nur fünfzig Kühen im Stall sind das schon 500 Stunden im Jahr. Mit dem Computer hat er — bei dreimaligem Wechsel des Grundfutters im Jahr eine Menge Zeit gespart.« Willi Lackenbauer ist überzeugt, daß jeder Landwirt nach kurzer Einarbeitung mit dem Programm umgehen kann. Er hat auch schon die ersten Belege dafür. Zwei Betriebe setzen sein Programm seit etwa einem halben Jahr ein und haben seither die Fütterung fest im Griff. Futtervergeudung gehört dort der Vergangenheit an.

Durch die Schläuche fließt nur dann genügend Milch, wenn das Futter stimmt.

Grundausstattung für weniger als 1000 Mark

Das Programm »Rationsberechnung für Milchkühe« ist in Basic für den C 64 geschrieben. Es benötigt etwa 15 KByte Speicherkapazität. Auf PEEKS und POKES wurde verzichtet, um eine Übertragung auf den kleineren Bruder des C 64, den VC 20 zu erleichtern. Als Speichermedium wurde — aus Kostengründen — ein Kassettenrecorder gewählt. Wer auf Ausdrucke keinen Wert legt, bleibt bei den Hardwarekosten unter 1000 Mark. Das Programmlisting kann bei der Redaktion angefordert werden.

Die Bedienung ist wirklich kinderleicht. Nach dem Erscheinen des Titels werden zunächst Name und Adresse abgefragt. Diese Eingabe ist kein Muß — sie kann auch übergangen werden. Dann erscheinen drei mal fünfzehn Grundfuttermittel auf dem Bildschirm in folgender Reihenfolge: Grünfutter, Silagen (Futter aus dem Silo), Heu und Stroh. Hier muß die Menge des ausgewählten Futtermittels in Kilogramm eingegeben werden. Fehleingaben können korrigiert werden. Zum Abschluß erscheint die eingegebene Tagesration für jede Kuh. Mit »N« kann man an den Anfang zurückgehen. Sind alle Eingaben bestätigt, erscheinen nach kurzer Rechendauer die Inhaltsstoffe und der Milcherzeugungswert der Ration. Nun kann mit Kraftfutter ausgeglichen oder aufgebaut werden. Die Menge wird wiederum in Kilogramm eingegeben. Als endgültiges Ergebnis erscheint nun die Gesamtration.

Dieser Ausdruck zeigt, welche Werte bei einer wirtschaftlichen Rationsberechnung wichtig sind.

Hemmschwellen sind schnell überwunden

Rationalisierung und vernünftiges Wirtschaften ist einer der wichtigsten Grundsätze, die Willi Lackenbauer in Theorie und Praxis vermitteln muß und will. Und so gab er sich nicht mit einem einzigen Programm zufrieden. Mittlerweile kann er mit seinem C 64 auch die Fütterung von Schweinen, egal ob zur Zucht oder zur Mast im Stall, optimieren. Auch bei der Berechnung von Deckungskosten und Gewinn eines landwirtschaftlichen Betriebes assistiert der Computer mit einem entsprechenden Programm.

Willi Lackenbauer glaubt, daß Computer in der Landwirtschaft in Kürze einen festen Platz haben werden: »In wenigen Jahren wird der Transponder in vielen Boxenlaufställen zum Standard gehören. Junge Landwirte bekommen bereits in ihrer Ausbildung den ersten Kontakt zu Computern. Hemmschwellen werden dadurch schnell abgebaut. Fütterungsprogramme, die auf einem preiswerten Heimcomputer wie dem C 64 laufen, werden sich mit Sicherheit durchsetzen. Für den Berater ist es auch besser, seine Zeit effektiver als für schematische Berechnungen zu nutzen.« Der computerbegeisterte Berater und Lehrer plädiert für Programme, die einfach und nachvollziehbar landwirtschaftlichen Betrieben Routinearbeiten abnehmen. »Die eingesparte Zeit kann viel sinnvoller zur Beobachtung und Betreuung der Tiere genutzt werden, denn das kann kein Computer dem Landwirt jemals abnehmen.«

(Willi Lackenbauer/kg)
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