Spiele-Test

Fantasy-Spiele – Geschichten von Galaxien, Gnomen und Giganten

Sie heißen Hobbit, Voodoo Castle, Ultima, Enchanter oder Sorcerer. Die Zahl der Fantasy-Rollenspiele wächst täglich, und für manche benötigt selbst der Routinier rund 300 Stunden, um zum Ziel zu kommen.

So können Hilfsmittel für ein Fantasy-Spiel ohne Computer aussehen: zwei der unzähligen Handbücher... (unten) ... und so sieht ein Bildschirm bei einem Textabenteuer (in diesem Fall Enchanter; oben) aus.

Ein Androide kämpft auf einem fernen Planeten ums Überleben. Der griechische Sagenheld Odysseus schlägt sich mit Kameraden durch das Mittelmeer. Astronauten entdecken ferne Galaxien, und stolze Helden durchstreifen mystische Welten.

Abenteuer, die jeden Abend über Tausende von Bildschirmen flimmern und in keinem Fernsehprogramm stehen. Die sogenannten Abenteuerspiele oder Adventures und Fantasy-Spiele haben den üblichen Fernseh- und Kinofilmen etwas voraus: Der Zuschauer ist gleichzeitig der Hauptakteur, der Held der Geschichte. Der Computer macht’s möglich.

Dabei hatte es vor rund zehn Jahren ohne Computer und Flimmerkiste angefangen. Der Amerikaner Gary Gygax träumte in seiner Jugend (jetzt übrigens auch noch) gerne von Fantasiewelten, was ihn auch dazu brachte, alle klassischen Sagen Europas zu lesen. Als er all diese Sagen gelesen hatte, fand er das Ganze einfach unvollendet: Ihm fehlte die Fortsetzung, die Gary Gygax in Form von Fantasyspielen schreiben wollte. Die ersten »weiterführenden Kapitel« zur Geschichte der Fantasy-Rollenspiele schrieb er schon im Sandkasten. Dort spielte er ein Taktikspiel namens »Chainmail« mit seinen Freunden.

Der nächst Schritt war die Entwicklung des ersten Rollenspiels, »Tunnels and Trolls« (der deutsche Titel ist »Schwerter und Dämonen«). Weitere Rollenspiele sind Runequest, Dungeons & Dragons (die bekannteste Variante), und diverse andere (vom Bereich Science Fiction bis zu James Bond). Später, als die ersten besseren Homecomputer auf den Markt kamen, versuchte man, die in USA sehr populären Rollenspielsysteme auf dem Computer zu realisieren. Teilweise sind diese Versuche mit fesselnden Abenteuerspielen gelungen, aber oft wurden sie auch zu kläglichen Beweisen für die Einfallslosigkeit der Programmierer. Beispiele für gute Rollenspiele am Computer sind zum Beispiel Ultima II, Gateway to Apshai, Exodus, Enchanter, The Hobbit, Blade of Blackpool, und viele andere.

Doch was ist eigentlich ein Rollenspiel? Der Begriff erklärt sich daraus, daß bei dieser Kategorie von Spielen der Spieler die Rolle einer bestimmten Figur übernimmt, den sogenannten »Character«. Durch das Übernehmen des Charakters oder Wesens einer Figur wird man also Zauberer, Abenteurer, Kämpfer, Dieb oder ein ähnliches Wesen. Im Rollenspiel muß man mit den Fähigkeiten dieser Figur (Stärke, Weisheit, Intelligenz, Charisma, Konstitution) und ihren Mitteln (Waffen, Rüstungen, Zaubersprüche, Diebeswerkzeug und ähnliches) eine bestimmte Aufgabe lösen. Bei den Computern kann diese Aufgabe darin bestehen, in den höchsten Level zu kommen (wie bei Gateway to Apshai), oder man muß eine Gegend durchforschen und dabei möglichst viel Erfahrung sammeln. Spielt man die »computerlosen« Rollenspiele, dann hat man zwar in jedem Abenteuer eine Aufgabe (Gegend durchforschen, Feinde bekämpfen, Erfahrung sammeln, Schätze suchen), kann aber mit seinem Character ohne festes Ziel von Abenteuer zu Abenteuer wechseln und beim nächsten Adventure mit seinen vorher erworbenen Erfahrungen, Waffen, Goldmünzen, und so weiterspielen. Solche Rollenspiele sind also endlos (außer, wenn das Wesen, dessen Rolle man übernommen hat, stirbt). Gerade diese Tatsache ist einer der größten Unterschiede zwischen den Rollenspielen mit und ohne Computer. Hat man beispielsweise ein Computer-Adventure zu Ende gespielt, dann ist es aus — für immer.

Die Autoren dieses Berichts spielen selbst gerne Computer-Fantasy, aber auch das computerfreie Spiel »Advanced Dungeons & Dragons«. Die Spielregeln für dieses Spiel, das abgekürzt auch AD&D genannt wird, sind in einem zirka 350 Seiten starken PLAYER’S HANDBOOK zusammengefaßt. Der Leiter eines solchen Spiels hat ein noch weit umfangreicheres, sogenanntes DUNGEON MASTER’S GUIDE als Nachschlagewerk. Das bedeutet natürlich nicht, daß man all dies auswendiglernen muß, um ein solches Spiel spielen zu können, aber diese Zahlen sollen Ihnen nur die Komplexität der Spielregeln und die zahlreichen Möglichkeiten eines AD&D-Spiels zeigen. Die Feinde, auf die man in einem Abenteuer stoßen kann, sind auch vielfältiger Natur: Das MONSTER MANUAL gibt Auskunft über mehr als 350 verschiedene Monster. Das Buch beschreibt beispielsweise, wieviel Schaden man einem Monster zufügen muß, um es zu vernichten, welche geistigen Fähigkeiten das Monster hat, und so weiter.

Was den Spieler selbst betrifft: Seine Fähigkeiten werden ausgewürfelt. Danach kann er sich den Charakter aussuchen. Bei hoher Geschicklichkeit wird er natürlich die Rolle eines Diebes übernehmen, um seine Fähigkeiten optimal ausnutzen zu können. Hohe Weisheit gibt gute Voraussetzungen für die Rolle des sogenannten »Cleric« (weil hohe Weisheit einen Zauberspruchbonus für Kleriker gibt), etc.

Der Spielhergang läßt sich natürlich nicht in Kürze erklären. Es sei hier jedoch gesagt Wenn ein bestimmter Vorgang in einem Abenteuer nicht vorgesehen ist, kann der Spielleiter (Dungeon Master) selbst noch entscheiden, wie es weitergeht. Bei Computerspielen trifft der Computer leider keine eigenen Entscheidungen.

Die Treffer und deren Stärke beim Kampf gegen Feinde werden ebenfalls ausgewürfelt. Würfel (4seitige, 6-seitige, 8-, 10- und 20-seitige), sogenannte »Module« (die einzelnen Abenteuer), sowie Bücher dazu gibt es im Fachhandel (bessere Spielwarenläden, Fantasy-Büchershops und so weiter). Fantasy-Rollenspiel-Adventures ohne Computer, wie zum Beispiel Dungeons & Dragons, werden von der Firma FSV vertrieben.

Rollenspiele am Computer

Die Rollenspiele auf dem Computer werden von ihren amerikanischen Herstellern »D&D-type-Games« genannt. Ihr großer Nachteil: Sie erlauben dem Spieler nur das, was der jeweilige Programmierer in sein Spiel eingebaut hat.

So ist denn auch kein Wunder, wenn viele Abenteuerspiele nur eine sture Reihenfolge von ganz bestimmten Zügen erlauben. Diese Spiele kann man jedoch nicht mehr unbedingt als Abenteuerspiel bezeichnen, denn hier durchlebt man kein Abenteuer, sondern knobelt meist nur aus, welche Worte der Computer versteht und welche er nicht akzeptiert. Bei vielen gut gelungenen Fantasyspielen fällt dem Spieler jedoch meistens nicht mehr auf, daß er durch die Programmierung eingeschränkt ist. Als Beispiel möchten wir hier die Spiele ULTIMA II und EXODUS angeben: In ihnen sind derartig große und komplexe Welten aufgebaut, daß der Spieler gar nicht mehr merkt, daß irgendwo ein Ende der großen weiten Phantasiewelt besteht.

Arten der Computer-Fantasy

Man kann die Rollenspiele mit Computern in zwei große Gruppen aufteilen: Die joystick- und tastaturgelenkten Spiele (wie KAIV, GATEWAY TO APSHAI, ULTIMA II/III) sowie die textorientierten Spiele, bei denen man wiederum Text/Grafik-Abenteuer und reine Textadventures unterscheiden kann. Die joystick- und tastaturgesteuerten Spiele sehen meist so aus, daß der Spieler seine Figur(en) mit dem Steuerknüppel durch Phantasiewelten, Dungeons, oder »sonstwas« lenkt, wobei er noch zusätzliche Tasten zum Ausführen von Funktionen drücken darf. Diese Funktionen können zum Beispiel sein: Fallen suchen, Zaubersprüche aussprechen, Waffen wechseln, ein Gespräch beginnen, und, und, und…

Die textorientierten Programme akzeptieren Texte als Befehle und reagieren entsprechend. Das Repertoire reicht von primitiven Ein-Wort-Kommando-Adventures bis hin zu komplexen Riesen-Abenteuerspielen, die vollständige Sätze verstehen. Oft sind diese Spiele durch eindrucksvolle Grafik illustriert.

Als kleines Nebenprodukt der Rollenspiele gibt es die sogenannte »Action-Fantasy«. Die Hersteller solcher Spiele nennen sie zwar Fantasy-Spiele, aber eigentlich handelt es sich nur um reine Actionspiele, die durch ein Fantasy-Thema aufgereichert wurden, wie zum Beispiel das Commodore-Spiel DRAGONS-DEN.

Hier nun eine kleine Marktübersicht über Fantasy-Rollenspiel-Adventures auf dem C 64:

Fantasy auf dem C 64

Wenden wir uns erst den joystick- und tastaturgelenkten Spielen zu:

ULTIMA II:

Dieses Programm ist eines der umfangreichsten Spiele, die es für den C 64 gibt. Ziel des Spieles ist es, den bösen »Minax« zu töten. Um dies zu schaffen, muß man viel Zeit und Geduld haben und etliche Kämpfe durchstehen.

Tastaturgesteuert (fast alle Tasten sind belegt).

Herstellerfirma: Sierra-On-Line

GATEWAY TO APSHAI:

Bei diesem Spielt heißt es, den höchstmöglichen Level zu erreichen. Dies gelingt nur mit viel Erfahrung, die man in diversen joystickgelenkten Kämpfen sammelt.

Hersteller: Epyx.

Die WARRIORS OF RAS-Serie:

In dieser Serie erschienen Spiele wie KAIV, DUNZHIN, und so weiter. Sie sind jedoch nur dem zu empfehlen, der schon einmal Fantasy-Rollenspiele (ohne Computer) gespielt und viel Zeit und vor allem Geduld hat. Auf Grafik wird in diesen Spielen nicht viel Wert gelegt, das Spielerische dominiert.

Herstellerfirma: Screenplay.

TELENGARD:

Dieses Realtime-Abenteuer ist nur dem Profi zu empfehlen. Man muß sehr schnell denken, um im richtigen Augenblick die richtige Taste zu drücken. Beim Durchforschen der Dungeons stößt man oft auf Drachen und ähnliche Wesen, die sehr schwer zu besiegen sind.

Herstellerfirma: Avalon Hill.

EXODUS - ULTIMA III:

Exodus ähnelt dem Spiel »Dungeons and Dragons« wohl am meisten. Ziel ist es, Exodus zu finden. Ein Test dieses Spiels erfolgt eventuell in Ausgabe 11 von 64’er. Zu EXODUS werden sehr umfangreiche Anleitungen mitgeliefert, so beispielsweise eine auf Stoff gedruckte (farbige) Landkarte, ein Zauberspruchbuch, eine Spielanleitung etc., zum Teil auf alten Pergamentschriftrollen gedruckt. Die durchschnittliche Spielzeit bis zur endgültigen Lösung des Rätsels dürfte bei 200 bis 300 Stunden liegen.

Herstellerfirma: Origin Systems.

Schreiten wir nun zu den textorientierten Fantasy-Spielen, zu den sogenannten »Adventures«:

Reine Textadventures

INFOCOM-ADVENTURES:

Diese Abenteuerspiele sind wohl die besten Textadventures, die es derzeit auf dem Markt gibt. Sie haben einen Wortschatz von über 800 Worten und verstehen ganze Sätze (wie zum Beispiel »Go to the north, then look around and open the green door«). Das Spektrum der Spielthemen geht vom Mittelalter über Detektivspiel bis hin zu Science Fiction oder »20000 Meilen unter dem Meer«-Abenteuern. Die Spiele werden in pompösen Packungen geliefert: Der Inhalt besteht je nach Spiel aus altertümlichen Schriftrollen, Postkarten aus der Galaxis, kleinen Identifikations-Magnetkarten, Spielbrettern, Karten mit Geheimschrift, Weltraumkarten, und, und, und… Die Infocom-Abenteuer sind trotz des relativ hohen Preises sehr empfehlenswert. Spielnamen: WITNESS, DEADLINE, ENCHANTER, SUSPENDED, ZORK I/II/III, PLANETFALL, SORCERER und SEAS-TALKER.

Herstellerfirma: Infocom.

CYBORG:

Hier ist man der menschliche Teil eines Wesens, das halb Roboter, halb Mensch ist. Um seine Abenteuer zu bestehen, muß man sich mit dem Robotergehirn koordinieren. CYBORG versteht ganze englische Sätze.

Grafik-Abenteuer

Sirius-Adventures:

BLADE OF BLACKPOOL hat altertümliche Komponenten; Ziel des Spiels ist es, das »Schwert des Blackpool« zu finden. CRITICAL MASS liegt mehr in der Gegenwart: Man muß die Atombomben finden, die ein Bösewicht in fünf großen Weltstädten versteckt hat. GRUDS IN SPACE bezieht sich mehr auf die Zukunft. Das Ziel des Spiels erscheint auf einem Bildschirm, den man durch die Eingabe »press green button« aktiviert. Diese Spiele begeistern vor allem durch ihren Einfallsreichtum, ihre sehr gute Grafik und durch ihren Spielwitz.

Herstellerfirma: Sirius-Software.

Die Scott-Adams-Abenteuer:

Diese »Adventure Games«, die es schon auf dem VC 20 als Textversion gab, gibt es jetzt für den Commodore 64 in Grafikversion. Der Text ist etwas knapper gehalten als in der reinen Textversion, was aber nicht weiter stört, weil die Grafik (die übrigens klein aber oho ist) die Umgebung ja auch umschreibt. Es handelt sich um VOODOO CASTLE, PIRATE ADVENTURE, MISSION IMPOSSIBLE und THE COUNT.

Außerdem hat die Firma Adventure International die Rechte zu einigen Superhelden-Stories aus dem amerikanischen Marvel-Comic-Imperium aufgekauft. Von diesen Marvel-Comic-Adventures ist bereits das Spiel »THE INCREDIBLE HULK« erhältlich (Grafik sehr gut, Spiel zu schwer). Spiderman und diverse andere sollen noch folgen.

Hersteller: Adventure-International.

THE HOBBIT:

Es geht darum, einen von einem Drachen bewachten Schatz zurückzubringen. Die Story entspricht im Großen und Ganzen dem Buch »The Hobbit« von Tolkien. Das besondere an diesem Abenteuer ist die sogenannte »Animaction« (so nennt es der Hersteller), das heißt, daß die Wesen, die in diesem Abenteuer vorkommen, sich bei jedem Spiel anders verhalten, und man sich mit ihnen (»Talk to Name Text«) arrangieren muß, um das Adventure zu lösen. Sehr schwer zu spielen, aber sehr unterhaltsam.

Hersteller: Melbourne House.

DALLAS-QUEST:

Ein Spiel, das für fortgeschrittene Abenteuerer nicht geeignet ist, da es recht schnell zu lösen ist. Dieses Abenteuerspiel bietet jedoch die beste Grafik, die bisher auf einem Commodore 64-Adventure zu sehen war. Sehr überzeugend ist auch der Reichtum an humorvollen Ideen. Dieses Spiel ist also für einen Anfänger-Abenteuerer sehr zu empfehlen.

Hersteller: Datasoft.

Abenteuerspiele von Sierra-On-Line:

Die Spiele MISSION ASTEROID und WIZARD & PRINCESS sind ebenfalls als Anfänger-Abenteuer zu bezeichnen. Sie haben zwar einen kleinen Wortschatz, können aber nach einiger Übung auch von ungeübten Spielern gelöst werden. Ein umfangreicheres Grafikadventure ist »Ulysses and the golden Fleece«, in dem man die Rolle von Odysseus übernehmen muß. Nach einiger Anlaufzeit macht dieses Spiel sehr viel Spaß.

Natürlich können wir in dieser Übersicht nicht alle Fantasy-Spiele beschreiben. Aber wir hoffen, Ihnen einen kleinen Überblick über die bestehende Computer-Fantasy gegeben zu haben. Die versprochenen Lösungshinweise zu »Blade of Blackpool« und »The Hobbit« werden in der nächsten Ausgabe gebracht.

(M. Kohlen/F. Wlodarzcyk)
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