»Der Sumpf«

Unser Beitrag über die Raubkopierer-Szene in der 64’er 6/84 hat weite Wellen geschlagen. Nachstehend bringen wir einen in mehrfacher Hinsicht bemerkenswerten Leserbrief zu diesem Thema — und unsere Antwort darauf.

Als Vorwegnahme meiner Meinung zu Ihrem Artikel »Der Sumpf« muß ich Ihnen sagen, daß ich selbst Raubkopierer bin. Ich bin 15 Jahre und mir voll und ganz bewußt, daß mein Tun illegal ist. Jedoch läßt sich von dieser »kleinen« Taschengeldaufbesserung (zirka 100 Mark pro Monat) ganz gut leben. Ich möchte aber Ihre These, »die Raubkopierer sind für die hohen Softwarepreise verantwortlich« widerlegen. Denn was war eher, die Software oder die Raubkopie? Es ist doch logisch, daß man ohne die teure Software, die urheberrechtlich geschützt ist, keine Raubkopie machen kann. Ich stimme Ihnen voll und ganz zu, daß es (auf gut deutsch gesagt) eine Schweinerei ist, daß Kinder genau dieselbe Strafe bekommen wie Profihacker. Ich will Ihnen für die wirklich gute Idee der billigen Kleinanzeigen keine Vorwürfe machen, sie ist nur ein weiterer guter Bestandteil Ihres sonst hervorragenden Heftes, aber meinen Sie nicht, daß Sie damit Raubkopierer etwas animieren? Meinen Brief unterzeichne ich mit

A. Acker

Es ist richtig, wenn Sie meinen, nicht die Raubkopierer allein wären für die hohen Software-Preise verantwortlich zu machen. Dazu kommt natürlich auch der oft enorme Entwicklungsaufwand, der in so einem Programm steckt. Nicht zuletzt wollen auch der Hersteller, die Distributoren und Händler einen kleinen Gewinn nach Hause tragen.

Es ist traurig aber wahr, daß die kleinen (sprich jungen) Raubkopierer mit demselben Strafmaß zu rechnen haben wie die großen. Die Firmen gehen in dieser Hinsicht aber nach dem Grundsatz: »Wehret den Anfängen« vor. Ein amerikanischer Datenschützer sprach einmal von der »fehlenden Moral« im Bereich der Software. Es ist in der Tat unter den Jugendlichen ein schwereres Vergehen, jemandem die Cola wegzutrinken, als einem relativ anonymen Entwickler das geistige Eigentum in Form eines Spiels oder Anwenderprogramms zu klauen. Sicher, die Materie, das Programm ist etwas reell nicht Greifbares; außer auf der Diskette (und das sollte man ja tunlichst vermeiden).

Die von Ihnen angesprochenen Kleinanzeigen in unserer Zeitschrift sind da nur ein Spiegel der Gesellschaft. Geplant waren sie, um dem Leser eine billige Möglichkeit zu bieten, Kontakte zu knüpfen, Erfahrungen auszutauschen, nicht mehr benötigte Hard- und Software zu verkaufen und vieles andere mehr. Nicht beabsichtigt war natürlich, den Raubkopierern ein preisgünstiges Forum für ihre illegalen Geschäftspraktiken zu sein. Wir sind um Abhilfe bemüht, aber wie läßt sich eine Anzeige über 100 selbstgeschriebene Programme von 100 raubkopierten unterscheiden, wenn dies nicht im Text erscheint. Außerdem gibt es in einigen Bereichen, wie zum Beispiel dem Lehrberuf, sogenannte »Public Domain Software«, die der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird.

Es ist nicht unsere Aufgabe und entspricht auch nicht unserem Selbstverständnis, der Vorreiter für die Industrie zu sein. Doch es ist unser Bestreben, ein in allen Belangen »sauberes« Magazin für den Computer-Fan zu machen. Dazu gehört es auch, rechtzeitig zu warnen, Mißstände aufzuzeigen und Hilfestellung zu leisten. Und diese Art der Taschengeldaufbesserung ist nicht in Ordnung. Die jungen Schüler und Studenten, denen es gelingt, den Software-Schutz fremder Programme zu knacken, eigene Kommentare und Veränderungen im Programm anzubringen, die verstehen doch etwas vom Programmieren. Diese Energien und dieses Know-how ließe sich doch wesentlich sinnvoller für die Entwicklung eigener, guter Programme einsetzen. Es gibt genug Programme auf dem Markt, die es nicht einmal wert sind, kopiert zu werden. Dagegen sollte man mit seinem ganzen Können angehen. Gerade in Deutschland sind wir in der Computertechnologie und der Softwareerstellung noch um Jahre hinter den USA, Großbritannien oder Japan. Es ist an der Zeit, denen zu zeigen, wo der Bartel den Most holt. Gute Software erstellen, zu einem fairen Preis, da liegt Eure Chance.

(aa)
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