C 64/VC 20
So machen’s andere

Mode-Fotos – mit Bits und Bytes

Aus anfänglichem Hobby wurde ernsthafte Anwendung. In seinem Münchener Hinterhofstudio verbindet der Fotograf Dirk Franke Schönheiten und Mode mit auf einem C 64 erzeugter Computer-Grafik. Die Ergebnisse können sich sehen lassen.

Das Lehel ist eines der ältesten und gemütlichsten Münchner Stadtteile. Hier wohnen neben Alteingesessenen Ausgeflippte aus den Bereichen Mode, Musik und Film. Versicherungskonzerne residieren protzig neben Tante-Emma-Läden, und vor nicht allzu langer Zeit gab es in diesem Viertel noch Münchens einzigen Pferdemetzger und sogar einen letzten, privaten Bauernhof. Auch heute gibt es dort noch viele kleine Handwerksbetriebe und Hinterhofwerkstätten. Und in einer von diesen beginnt unsere Geschichte.

In den Räumen einer aufgelassenen Galvanisierfabrik entstand mit viel Eigenleistung und Umbauarbeit das Lime-Light Studio. Dort machte sich nach langen »Lehrjahren« bei Profis der Mode- und Werbefotograf Dirk Franke mit einem eigenen Studio selbständig. Und lange sah es auch so aus, als würde dieses Studio ein Fotostudio wie so viele andere bleiben. Wäre da nicht…

Tja, wäre da nicht jemand aus dem großen Bekanntenkreis des jungen Fotografen mit einem TRS-80-Computer samt Monitor eines Tages im Studio bei Dirk Franke aufgetaucht.

Anfangs diente dieses heute schon antiquare Gerät nur zum Daddeln. Wer die eher einfachen bis langweiligen Spiele aus dieser Ära noch kennt, kann sich leicht vorstellen, daß bald mehr gefragt war. So machte Dirk Franke seine ersten Tapser in Basic. Und obwohl die grafischen Fähigkeiten dieses Modells noch nicht einmal bescheiden zu nennen waren, faszinierte ihn die Möglichkeit, mit einem solchen Gerät Bilder, wenn auch sehr primitive, erzeugen zu können.

Anders als die mit seiner Fotokamera geschossenen, hatten diese Bilder von sich aus schon ein gewisses Eigenleben, das man mit der herkömmlichen Fotografie erst mühsam und kreativ erzeugen mußte. Einen ersten Gehversuch, dieses für den Fotografen völlig neue Medium auch beruflich zu nutzen, zeigt das Cover für die Single »Letric Metric« von Peter Griffin (Bild 1), für den er das Titelbild vor nun fast drei Jahren knipste.

Bild 1. Erster Tappser in Richtung Computergrafik war ein Single-Cover, erstellt mit einem TRS-80.

Der TRS-80 verließ einige Tage später samt dem Bekannten wieder das Studio. Aber von nun an war es klar, ein Computer mußte her. Es vergingen zwar noch ein paar Monate, doch dann war der C 64 und mit ihm bis dahin in dieser Preisklasse ungekannte grafische Möglichkeiten auf dem Markt.

Dennoch, mit der schnellen Entscheidung für diesen Computer war es nicht getan. Jeder kennt die umständliche Programmierung von Grafiken beim C 64, ohne Tools oder Grafikerweiterungen. Es folgten also die Floppy und das Koala Pad. Jetzt konnte es endlich losgehen. Denkste!

Nach nächtelangen Versuchen und endlosem Testen mit den verschiedensten Kameratypen, unterschiedlichen Filmmaterialien, ja sogar variierenden Film-Emulsionen, die einzelne Farben nuanciert anders wiedergaben, und nachdem Dirk Franke sämtliche Laboranten im Entwicklungslabor kirre gemacht hatte, wollte er beinahe aufgeben. Die Qualität war einfach nicht akzeptabel.

Wieder mal ging es quer durch den Dschungel des Münchner Computer-Handels, bis ein geeigneter Farbmonitor gefunden war. Mit diesem ließ sich dann auch die letzte Hürde, die vorher viel zu grobe Auflösung, nehmen. Die neuen Tests waren vielversprechend, und ein erster Kunde zeigte Mut und Interesse an der neuen »Technik«.

Eine junge Modefirma suchte nach etwas Neuem: einem »Eyecatcher«. Denn nach wie vor gilt auch in dieser Branche die Devise des Auffallens um jeden Preis. Und dafür schien die Frankesche Verbindung von Real-Fotografie und Computergrafik wie geschaffen.

Mittels des Tabletts vom Koala Pad und der mitgelieferten Schrift-Software entstand das Computerbild (Bild 2). Ein Modell war schnell gebucht und stellte sich mitsamt der, damit sie nicht reflektieren, an speziell behandelten Nylonschnüren aufgehängten Jeans vor den schwarzen Hintergrund in Pose (Bild 3).

Bild 2. Dirk Franke an seinem Arbeitsplatz. Links ist die Hardcopy der Computer-Grafik zu erkennen.
Bild 3. Studioatmosphäre. Die realfotografische Seite der Modeanzeige.

Stimmte erst einmal das Licht und stand die Grafik, war der Rest nur noch für den Assistenten Plackerei. Er war es nun, der die Filmkassetten für die ständigen Mehrfachbelichtungen quer durchs Studio hin- und herbringen mußte. Zweimal Klick mit Modell und Jeans. Blitze aus. Zweimal Klack am Computer. Blitze wieder an. Und immer weiter so, mindestens hundertmal.

Das Endergebnis war dann die Vorlage für die Anzeige und der Modekunde zufrieden. Doch schon während der Aufnahmen hatte der Layouter der Werbeagentur Gelegenheit zu letzten Korrekturen. Ein kurzes Basic-Programm ermöglicht eine Hardcopy des Bildschirms auf dem grafikfähigen Drucker. So konnte der Art-Director immer wieder Varianten scribbeln oder Veränderungen am Bildaufbau vornehmen, bevor der letzte Schuß im Kasten und die Aufnahmen damit gestorben waren (Bild 4).

Bild 4. Das fertige »Produkt«, wie es als Anzeige in einer Mode- und Kulturzeitschrift erschienen ist.

Welche Faszination diese Verbindung zweier, eigentlich artfremder Medien auf den Fotografen Dirk Franke ausübt, zeigt auch seine Visitenkarte: Ein 6 x 6-Dia, das den realfotografierten Meister im Bogie-Look zusammen mit Computerbild und Telefonnummer, einen bleibenden Eindruck hinterlassend zeigt (Bild 5).

Bild 5. Der bleibende Eindruck des Computer-Fotografen: die Visitenkarte.

Doch nicht nur das fotografische Leben hat der Computer bei Dirk Franke nachhaltig beeinflußt. Auch in die interne Organisation seines »Ladens« brachte der C 64 neuen Schwung. Der ganze Papierkram befindet sich nun auf Disketten und teils selbstgeschriebene, teils gekaufte Programme erleichtern und übernehmen das Halten der täglichen Ordnung.

Vom Hauptmenü (Bild 6 und 7) geht es zur Textverarbeitung, zum Rechnungsstellung- und Film- und Requisitenlager-Programm, in die Einnahmenüberschuß-Buchhaltung und in die Adressenverwaltung, die für die zahlreichen, berühmtberüchtigten Studiofeste besonders wichtig ist.

Bild 6. Das Hauptmenü vom »Lime-light-Studio«.
Bild 7. Darf natürlich nicht fehlen: die Rechnung.

Dirk Franke möchte jedenfalls seinen »Compi« nicht mehr missen. Und seit es Spiele wie den Flugsimulator gibt, daddelt er auch manche Nacht mal wieder. Doch obwohl bereits erste Anzeigen mit seinen Computerbildern erschienen sind und er eigentlich recht zufrieden sein könnte, kommen angesichts der zahlreichen Veröffentlichungen über die Möglichkeiten großer Grafikcomputer bereits neue Wünsche auf. Verständlich…

(Klaus Koch/aa)
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