C 64
Software-Test

Viel zu schade, um nur damit zu kalkulieren

Wer bisher gemeint hat, Multiplan läuft nicht auf dem C 64, erfährt es hier besser. Dieses Tabellenkalkulationsprogramm ist schon seit Jahren für Personal Computer auf dem Markt. Wer aber immer noch glaubt, Multiplan sei nur zum Rechnen und Kalkulieren da, sollte ganz aufmerksam weiterlesen.

Multiplan wurde vor Jahren von der amerikanischen Softwarefirma Micro-Soft für 16-Bit-Computer entwickelt und entpuppte sich vom Start weg als der Renner auf dem Software-Markt.

Seit geraumer Zeit nun findet sich Multiplan 64 mit deutscher Benutzerführung und ebensolchem Handbuch im Handel. Jedem, der jetzt befürchtet, daß dies eine stark abgemagerte Version ist, sei gleich der Wind aus den Skeptikersegeln genommen: Mit häufigem, aber den Arbeitsablauf kaum störenden Nachladen einzelner Systemdateien arbeitet Multiplan auf dem C 64 befriedigend schnell und mit voller Leistung.

Doch gerade diese Leistung und hier besonders wiederum ihre Vielseitigkeit ist wohl für viele der Stolperstein bei Multiplan, obwohl gerade diese Fülle an Möglichkeiten bei Multiplan dieses Programm immer noch interessant macht — besonders dann, wenn man mit einem neidischen Auge auf die jüngste Generation von integrierter Software bei den »Großen« schielt.

Denn gerade wer sich ernsthaft mit seinem C 64 beschäftigt, das soll heißen, wer mit ihm seine Briefe oder Manuskripte schreibt und sein Haus oder seine Wohnungen verwaltet, oder wer mit ihm seinen kleinen Betrieb auf Trab bringt, wird sich schon oft über das häufige Programmwechseln-Müssen geärgert haben. Und nicht jeder kauft sich deshalb gleich einen neuen Computer. Und genau dort liegt der Casus-Knacksus in der Anwendung von Multiplan Richtig in den Griff bekommen und mit ein paar Kunstgriffen und Tricks liefert es uns auf dem C 64 fast schon die gleichen Features wie wesentlich aufwendigere und teurere Programme für große PCs. Doch dazu später und ausführlicher mehr. Kurz noch mal Generelles: Multiplan ist ein sogenanntes Spreadsheet. Ein aus 63 Spalten und 255 Zeilen bestehendes Arbeitsblatt. Jede der Spalten kann in ihrer Breite variiert, und sowohl Spalten wie Zeilen, also jedes einzelne Feld kann mit Daten, Formeln, Funktionen oder Texten gefüllt werden. Hat man sich erst einmal so eine Tabelle nach eigenen Wünschen aufgebaut, reagiert Multiplan auf die geringsten Veränderungen und berechnet getreu den Anweisungen alle betreffenden Positionen neu.

Dies setzten wir einmal als mittlerweile hinreichend bekannt voraus und ersparen uns so die trockenen Erklärungen der Wie und Warums und der einzelnen, über 120 Befehle, Funktionen, mathematischen Kürzel und zahlreichen Fehlermeldungen. (Die Nur-Multiplan-Interessierten mögen trotzdem hier noch nicht aufhören weiterzulesen.)

Diese Vielzahl an frei benutzbaren Möglichkeiten macht Multiplan schon fast zu einer eigenen Programmiersprache. Und sie erklärt, warum diese Software so gleichermaßen beliebt und unverstanden geblieben ist.

Doch kommen wir zum Wesentlichen, zum Programm selber. Jeder Neuerwerber wird erstmal positiv überrascht sein. Denn für seine knapp dreihundert Mark, die er für die C 64-Version von Multiplan dem Händler auf die Theke blättern muß, bekommt er genau 1,56 K. Diesmal handelt es sich aber ausnahmsweise nicht um die Meßlatte für Computerleistung oder Softwarelänge, sondern um die guten alten Kilogrämmer der Marktfrauen. Genausoviel wiegt nämlich das in einer Acrylbox verpackte Handbuch samt Systemdiskette.

Vorbildliche Dokumentation

Und zu diesem, selbstverständlich ebenfalls deutschen Handbuch, fallen einem eigentlich nur höchstlöbliche Worte ein. Es ist eines, das diesen Namen wirklich verdient. Microsoft hat hier nicht nur ein Nachschlagwerk geschaffen, sie liefern auch gleich ein komplettes und gut aufgemachtes Lehrbuch mit. Alles in allem zeigt dieses 432 Seiten starke Ringbuch, wie gut und auführlich man Bedienungsanleitungen machen kann. Und man fragt sich, warum es dennoch so viele zusätzliche Bücher, auch noch für jeden Computer ein eigenes, über dieses Programm auf dem Markt gibt.

Doch was bietet nun das Multiplan 64 dem Anwender, außer der Möglichkeit, die Auswirkung einer 5prozentigen Preiserhöhung auf seinen Energie- oder Wirtschaftshaushalt zu kalkulieren? Kann es mehr, als nur ausrechnen, ob nun 6,78% Zinsen auf 35 Jahre oder 7,86% Zinsen auf 5 Jahre günstiger sind? Und lohnen sich die drei Blauen für die meistverkaufte Software der Welt in einem Handwerksbetrieb oder Kleinversand, damit der Inhaber dann elektronisch weiß, daß er bei 3,5% mehr Spanne tatsächlich auch mehr verdient? Um es gleich vorwegzunehmen: JA. Man muß nur wissen wie …

Wer sich durch die Befehlsvielfalt von Multiplan 64 durchgewühlt hat, wird vielleicht schnell feststellen, daß sich dieses Programm ganz ausgezeichnet in einzelne, immer wieder aufrufbare Module unterteilen läßt. Ein etwas größeres für zum Beispiel die Rechnungsstellung oder das Angebotswesen mit wiederum kleineren Modulen für die jeweiligen Posten und Kosten. Durch die Option der Formeln hat man bei der Gelegenheit auch gleich noch einen Überblick über den augenblicklichen Stand der geschriebenen Angebote, Kosten, Einnahmen oder was auch immer gewünscht wird.

Für eine kleine und natürlich nur eingeschränkt komfortable Textverarbeitung reicht es schon aus, die Spaltenbreite entsprechend zu vergrößern und die Felder mit dem Befehl »Zusamm(en)« zu kennzeichnen (Bild 1). Schon schreibt Mulitplan brav den eingetippten Text Zeile für Zeile ins Arbeitsblatt. Der Ausdruck des Geschriebenen erfolgt mit dem Befehl »Z(eilen)/S(palten)-Nummern: Ja (Nein)« auch ohne die, bei Briefen unangebrachten, Numerierungen.

Bild 1. Aus Multiplan läßt sich ein, wenn auch einfaches, Textverarbeitungsprogramm machen

Noch besser geeignet ist Multiplan für das Angebots- und Rechnungswesen (Bild 2). Hier zeigt es seine wahren Stärken, wenn man mal von dem Nur-Kalkulieren absieht. Da Angebots- und Rechnungstexte meist gleichlautend sind, bedarf es hierfür nur je eines Moduls. In diesem sind Text, Artikeldaten und natürlich die Formeln (Artikel mal Stückpreis gleich Angebot plus Mehrwertsteuer) »programmiert«. Bei Anfrage und noch besser nach Lieferung holt man sich das Modul als Datei in den Rechner, braucht nur noch die gelieferten Waren einzugeben und ab die Post.

Bild 2. Auch Angebote und Rechnungen lassen sich mit Multiplan erstellen

Auch eine Hausverwaltung ist kein Problem. Einmal programmiert, liefert die Datei die Vorgaben, und die Mieter haben ihre Nebenkostenabrechnung wenig später auf dem Tisch (Bild 3). Den Anwendungen sind praktisch keine Grenzen gesetzt. Der kleine Betrieb spart sich zum einen den permanenten Programmwechsel und zum anderen auch Geld für teure Einzel-Software. In Kauf nehmen muß er dafür nur einige Stunden Anpassungsarbeit und die, allerdings rechnerbedingte, manchmal und bei ziemlich vollem Arbeitsplatz etwas langsame Geschwindigkeit, hat dafür aber eben alles in einem.

Bild 3. Eine Abrechnung der Mietnebenkosten - kein Problem

Wem diese Arbeit dennoch zuviel ist, kann sein Multiplan 64 auch weiterhin nur für seine Kalkulationen unterbelasten. Was allerdings schade wäre.

(Klaus Koch/aa)
PDF Diesen Artikel als PDF herunterladen
Mastodon Diesen Artikel auf Mastodon teilen
← Vorheriger ArtikelNächster Artikel →