Floppy mit Nachbrenner
Schimpfen Sie nicht mehr über die nervenzermürbende Langweilerin Commodore-Floppy 1541. Jetzt kommen auf einmal gleich mehrere Systeme auf den Markt, die der 1541 die Sporen geben. Die besten drei stellen wir Ihnen vor.
Es ist schon nervig. Wieder einmal sitzt man vor seinem C 64 und lädt ein Programm nach dem anderen in den Speicher. Vielleicht ordnen Sie gerade Ihre Programmsammlung. Diskette wechseln, Programm laden, kurz anschauen, danach wieder Diskette wechseln und abspeichern. Die Wartezeiten beim Laden und Speichern machen ganz müde. Die Finger trommeln einen ¾-Takt auf den Schreibtisch. Im Geiste rechnet man schon aus, wieviel wertvolle Zeit wieder verloren geht. Voller Neid denkt man an Disketten-Laufwerke anderer Hersteller und Computer, die die Nerven nicht so stark beanspruchen.
Ein erster Lichtblick
Eines Tages boten zwei junge Männer ein Programm an, das die Floppy 1541 beim Laden von Programmen um ein mehrfaches beschleunigt. Den Erfolg kennen Sie bereits. In der Ausgabe 10/84 wurde HYPRA-LOAD zum Listing des Monats gemacht.
Setzt man dieses Programm ein, werden sofort Sehnsüchte wach. Wenn schon das Laden von Programmen schneller geht, dann bitte auch das Speichern und wenn möglich auch Direktzugriffe und Dateihandling.
Es ist seltsam: Kaum hatten wir HYPRA-LOAD in den Händen, kam die nächste Überraschung. Ein Vertreter der holländischen Firma Computing International präsentierte uns ein System, daß alle oben genannten Wünsche in Erfüllung gehen ließ. Allerdings reicht eine reine Software-Lösung nicht mehr aus. Auch an der Hardware muß jetzt manipuliert werden (siehe Bild).
Der Grundgedanke ist klar. Es gibt eigentlich nur zwei Hemmschuhe für die Floppy. Zum einen ist es die serielle Datenübertragung, und zum anderen die umständlichen Routinen des Floppy-DOS (Disk-Operation-System). International Computing löst beide Probleme. Sie schrieben die Busroutinen um, machten sie schneller und gleichzeitig wurde ein paralleler Anschluß hergestellt und zwar interessanterweise ein IEEE-488- Bus. Das ist nicht unbedingt notwendig, aber ein Vorteil, wenn Sie auf größere Commodore-Peripherie zugreifen wollen. So schlossen wir versuchsweise die Commodore-Floppy SFD 1001 mit 1000 KByte Diskettenspeicherkapazität an. Es war eine wahre Wonne, daß Gerät in Aktion zu sehen. Auf die SFD 1001 stellten wir die 1541 und ließen die beiden zusammen arbeiten. Die Übertragung von einem Gerät zum anderen, ganz gleich in welcher Richtung, ging problemlos über die Bühne. Und die Geschwindigkeit war so verblüffend, daß wir zuerst an einen Fehler dachten, als die READY-Meldung so schnell wieder zu sehen war. Aber es gab keine Fehler.
Wie steht es mit der Kompatibilität? Diese Frage ist noch wichtiger als das Maß der Geschwindigkeitssteigerung. Denn davon hängt die Einsetzbarkeit ab. Es wäre schlimm gewesen, wenn man lediglich die parallele Übertragung gegen die serielle getauscht hätte. Jedoch stehen beide zur Verfügung. Mit einem kleinen Schalter läßt sich jederzeit die gewünschte Übertragungsart einstellen. Das ist in zwei Fällen wichtig. Einmal kann es sein, daß Programme sich doch nicht über das parallele Kabel laden lassen (das kann passieren, wenn diese Programme selber den seriellen Bus abfragen und verändern). Zum anderen muß auf einen am seriellen Port angeschlossenen Drucker zugegriffen werden können. Leider ging das nicht, wenn der Schalter auf parallel stand. Durch einfaches Umschalten ließ sich das Problem beseitigen. Wir konnten zwei Vorab-Versionen testen. In der einen Version mußte beim Umschalten ein Reset durchgeführt werden, in der anderen Version war das nicht nötig. Ein im Speicher befindliches Programm wird dann nicht gelöscht. Nach Aussage von Computing International werden die ausgelieferten Versionen einen Druckerbetrieb unabhängig von der eingestellten Übertragungungsart garantieren.
Bei den Programmen gab es keine Lade- oder Speicherprobleme, ausgenommen einiger Programme mit eigenen Busroutinen, die jedoch relativ selten sind. Wenn das Programm aktiv ist, kann kein Kassettenrecorder angeschlossen werden. Dieses Problem kann jedoch auch mit einem Schalter gelöst werden, der den vorher belegten Speicherbereich wieder freigibt.
Die RS232-Schnittstelle ist nach Angabe des Herstellers voll funktionstüchtig.
Die Tests ergaben bei diesem System eine zwei- bis vierfache Steigerung der Geschwindigkeit beim Laden und Speichern von Programmen sowie eine geringfügigere Steigerung um den Faktor 1,2 bis 2 beim Arbeiten mit Dateien.
Es gibt zwei Wege, seinen Commodore 64 umzurüsten. Sie können entweder einen Bausatz bestellen (zirka 250 Mark, inbegriffen sind alle Bauteile), oder Sie schicken Ihre Geräte (C 64 und Floppy 1541) ein, die Lösung für den Nichtbastler. Dann kostet der Umbau voraussichtlich 375 Mark. Den Umbau erledigt in Deutschland die Firma Optronik Service International.
Speeddos - die Erweiterung mit Pfiff
Eine weitere Alternative zu diversen Fastload-Programmen und IEC-Bus-Floppy-Laufwerken vertreibt S&S-Soft und nennt sich Speeddos: Eine kleine Hardware-Erweiterung für den C 64, deren Einbau sich auf einfaches Einstecken beschränkt.
Alle Programme, die mit »Speeddos« abgespeichert wurden, sollen sich bis zu zehnmal schneller laden lassen. Mit normalem Betriebssystem gespeicherte Programme werden mit rund sechsfacher Geschwindigkeit geladen.
Da die reine Datenübertragung etwa achtmal schneller ist, ergibt sich bei floppyinternen Operationen eine generelle Geschwindigkeitssteigerung um den Faktor 2 bis 5. Das Formatieren einer Disk benötigte in unserer Demonstrationsversion 39 Sekunden, in der Verkaufsversion soll der Formatierungsvorgang nur noch 17 Sekunden dauern und das Laden soll mit der zehnfachen Geschwindigkeit möglich sein. Auch der Betrieb von zwei 1541 mit Speeddos ist kein Problem.
Zusätzlich zum Geschwindigkeitsvorteil wurden einige Verbesserungen und Erweiterungen an den Betriebssystemen von Computer und Floppy eingebaut. Dem Benutzer steht ein komplettes DOS zur Verfügung, mit dessen Hilfe man auch den zusätzlichen Löschschutzbefehl der Floppy ansprechen kann oder das Inhaltsverzeichnis ohne Programmverlust erhält. Die Funktionstasten wurden mit einigen häufig benötigten Funktionen belegt (zum Beispiel List, Run, Directory ohne Programmverlust, etc.). Die Belegung ist abschaltbar. Außerdem wurde eine softwaremäßige Centronics-Schnittstelle integriert, die automatisch aktiviert wird, wenn ein Centronics-Drucker (zum Beispiel Itoh oder Epson) am User-Port angeschlossen ist. Entsprechende Kabel dazu können ebenfalls geliefert werden.
In der Verkaufsversion soll außerdem ein komfortabler Maschinensprache-Monitor (mit Auf- und Abwärts-Scrolling) enthalten sein.
Darüber hinaus bietet Speeddos noch einen laufwerks- und diskettenschonenden Effekt: Bei auftretenden Fehlern hört man kein lautes Rattern mehr, sondern nur noch ein leises »Taktak«, das den Steppermotor und den Endanschlag nur noch minimal belastet. Beim Einlegen von Disks in das Floppy-Laufwerk läuft der Motor automatisch an und zentriert die Diskette gleich beim Einlegen.
Speeddos benötigt keinen Speicherplatz und läuft mit allen Programmen, die nicht auf den Datasette-Recorder oder die RS232-Schnittstelle zugreifen. Das sind rund 98% der derzeit verfügbaren Software. Somit ist aber auch hier zum Beispiel die Verwendung eines Akustikkopplers in Verbindung mit Speeddos nicht möglich. In diesem Fall muß das EPROM vom C 64 abgezogen werden. Der Betrieb mit CP/M läuft da hingegen ohne Einschränkungund geht ungefähr dreimal schneller als normal.
Besonders hervorzuheben an dieser Erweiterung ist die außerordentliche Geschwindigkeit und Kompatibilität zur erhältlichen Software.
Speeddos wird als Bausatz voraussichtlich 269 Mark kosten. Der Einbau beschränkt sich auf einfaches Einstecken von EPROMs und Steckern in den Computer und ist von jedem Laien durchführbar. Für diejenigen, die einen C 64 mit eingelötetem Betriebssystem besitzen, ist gegen einen Aufpreis von 20 Mark eine Platine erhältlich, die in diesem Fall das Löten erspart.
Die Entwickler von Speeddos, 0. Joppich und 0. Eikemeier, arbeiten an einem Backup-Programm für Speeddos, das bei einem Laufwerk eine ganze Disk in unter zwei Minuten kopieren soll. Ein noch schnelleres Backup für zwei Laufwerke ist ebenfalls in Planung.
Geschwindigkeit ist (k)eine Hexerei
Auch mit dem dritten System, das wir Ihnen vorstellen, dem »Turbo Access« von Roßmüller, werden Träume wahr: Die »lahme Ente« — gemeint ist natürlich die Floppy 1541 — lernt fliegen. Zehnmal schnelleres Laden, dreimal schnelleres Abspeichern, das sind Werte, die sich sehen lassen können. Ja selbst die großen Commodore-Floppies mit ihrem Parallelbus können auf einmal nicht mehr mithalten.
Die Engstelle der 1541 ist seit langem bekannt: Alle großen CBM-Computer benutzen einen 8-Bit-Parallelbus, nur die kleinen arbeiten mit einer seriellen Schnittstelle. Dabei wird jedes übertragene Byte in 8 Bit zerlegt, die einzeln über den Bus geschickt werden. Und das braucht Zeit…
Acht Drähte machen noch keinen Bus
Was liegt also näher, als einfach mehr Leitungen zur Übertragung zu spendieren? Doch damit ist das Betriebssystem der Floppy, das DOS, nicht so ohne weiteres einverstanden. Man muß es daher umgehen und eine eigene Verwaltung aufbauen. Davon machen Programme wie »HYPRA LOAD« gebrauch: In das RAM der Floppy wird ein eigenes Programm geschrieben, das die Datenübertragung abwickelt. Der Nachteil einer solchen Software-Lösung liegt auf der Hand: Vor jeder Übertragung muß das Programm erst in die Floppy geschoben werden, und dazu braucht man wieder ein Programm, das geladen werden muß …
… ohne Lenkung geht nichts!
Beim »Turbo Access« hat man daraus die Konsequenz gezogen: Es handelt sich um eine reine Hardware-Lösung, die aus drei Platinen und einem Flachbandkabel für die Parallelübertragung besteht.
Zur Ausstattung gehören zwei EPROMs, die neue Betriebssysteme sowohl für die Floppy, als auch für den C 64 enthalten. Sie befinden sich zusammen mit den alten umschaltbar in Floppy beziehungsweise Computer. Die dritte Platine steckt im Expansion-Port und ist mit einem zusätzlichen PIA, ähnlich dem User-Port, bestückt. Für Interessierte sei hier angemerkt, daß sie auf keinen Port verzichten müssen — der benutzte Expansion-Port ist durchgeschleift.
Allerdings lag zum Test noch nicht die endgültige Fassung, sondern eine vorläufige »Arbeitsversion« vor. Nach Angaben des Herstellers wird die endgültige Version auch berücksichtigen, daß die Floppy 1541 in zwei Versionen gebaut wird, die sich in der Platinenform unterscheiden.
Wer jetzt Holz aufs Feuer legt, um den Lötkolben aufzuheizen, muß allerdings enttäuscht werden. Alles ist steckbar, mit wenigen Griffen einzubauen.
Was leistet »Turbo Access«
Stellt man die Floppy wie oben beschrieben auf Parallelübertragung um, erreicht man aus dem Stand die 6fache Ladegeschwindigkeit. Noch sind die Files ja nach alter DOS-Manier abgelegt. Dies ist mittlerweile schon fast »Standard«. Mit »Turbo Access« abgespeicherte Programme werden allerdings zirka zehnmal schneller geladen. Hier einige Testzeiten:
158 Blöcke werden in 10,4 Sekunden geladen. Die 4040 braucht dafür immerhin 23 Sekunden, die »normale« 1541 1 Minute und 40 Sekunden.
Eine Diskette wird in 29 Sekunden formatiert. Die 1541 braucht etwa 1 Minute 30 Sekunden.
Die Befehle SCRATCH und VALIDATE werden zirka doppelt so schnell wie bisher ausgeführt.
SAVE erfolgt mit der dreifachen Geschwindigkeit. Das entspricht ungefähr der Geschwindigkeit der 4040. Bei jedem SAVE wird anschließend verifiziert. Daraus erklärt sich der erhöhte Zeitbedarf gegenüber LOAD.
Wodurch werden diese Zeiten möglich? Ursache ist, wie bei den beiden anderen Systemen, daß nicht nur die Übertragung selbst, sondern das gesamte DOS umfassend überarbeitet wurde. Dabei wurde auch die Verwaltung auf der Diskette abgeändert, und das bringt die Floppy ganz schön auf Trab. Die Kopfpositionierung wird dreimal schneller, das zahlt sich vor allem bei relativen Files aus. Und einige Fehler im alten DOS wurden gleich mitkorrigiert. Das lästige »Gerappel« beim Formatieren, Ursache für viele verstellte Schreib-Lese-Köpfe, wird auf ein Mindestmaß reduziert und noch einiges andere mehr.
Keine Angst, bei allen Änderungen wurde darauf geachtet, daß alle Befehle genauso funktionieren wie bisher. Denn was nützt die schnellste Floppy, wenn kein Programm damit zusammenarbeitet. Bei allen Versuchen gab es bisher nur ein Programm, das nicht mit »Turbo Access« zusammen lief. Selbst Programme, die intensiv mit Diskettenbefehlen arbeiten (zum Beispiel »EX-DOS« und Kopier-Programme wie »FCOPY« oder »Quick-Copy«), machten ebensowenig Schwierigkeiten wie Datenverwaltungs- oder Testprogramme. Spiele, die häufig Teile von Diskette nachladen, werden zum echten Streß, da man nicht einmal mehr dazu kommt, Bier aus dem Keller zu holen …
Relative oder sequentielle Files werden genauso problemlos verarbeitet. Und sollte einal etwas nicht laufen, drückt man CTRL + £, legt einen Schalter um und hat wieder den alten Zustand hergestellt. In den meisten Fällen ist das sogar mitten im Programm ohne Programm- oder Datenverlust möglich.
Und der Haken bei der Sache?
Natürlich, das dicke Ende mußte ja noch kommen, aber so dick ist es nun auch wieder nicht. Um im Rechner-Betriebssystem Platz zu bekommen, wurden die Kassetten-Routinen entfernt. Für den Betrieb der Datasette muß man auf die alten Betriebssysteme umschalten. Dafür wurden im neuen Betriebssystem noch einige äußerst nützliche Routinen eingebaut. So ist jetzt mit CTRL + D jederzeit eine Directory-Ausgabe — natürlich ohne Programmverlust — möglich; mit dem Cursor kann man auf das gewünschte Programm fahren und mit CTRL + L laden. CTRL + / liest den Fehlerkanal der Diskette. Das lästige »,8« nach dem LOAD- oder SAVE-Befehl darf entfallen, weil die Primäradressen 1 und 8, sich nun beide auf die Floppy beziehen. Der Preis ist mit 295 Mark nicht gerade niedrig, aber dafür erhält man eine Lösung fast ohne Kompromisse. Mitgeliefert wird neben der Hardware eine Einbauanleitung und eine Diskette mit Kopierprogrammen. Als zusätzlichen Service bietet die Herstellerfirma an, daß im Falle von Überarbeitungen, jederzeit die alte gegen die neueste Version kostenlos umgetauscht werden kann. Bedenkt man, daß die Entwicklung von »schnelleren« Soft- und Hardwarelösungen für die Floppy gerade erst begonnen hat, muß man sich über die Qualitäten dieser Produkte freuen. Interessanterweise kommen sie nicht über den großen Teich zu uns herüber. Auch wenn nur die Vorabversionen vorgeführt wurden, lassen sie doch in jedem Fall erkennen, daß wirkliche Könner dahinterstecken. Und sie wissen genau, daß, so sensationell ihre Entwicklung auch ist, die Konkurrenz nicht schläft. So wird ein Produkt mit 98%iger Kompatibilität bei einer sechsfach höheren Geschwindigkeit erfolgreicher sein, als 80%ige Kompatibilität bei einer fünfzehnfach schnelleren Ladezeit. Sicher wird in dieser Hinsicht noch einiges auf uns zukommen. Man kann gespannt sein.
(M. Kohlen/D. Weineck/gk)Bezugs- und Informationsquellen
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S & S-Soft, Schöttelkamp 23a, 4620 Castrop-Rauxel
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