C 64
Software-Test

Protext-Textprofi mit 80 Zeichen

Einen entscheidenden Schritt in Richtung professionelle Textverarbeitung macht Protext. Wichtigstes Hauptmerkmal: 80 Zeichen ohne Kompromisse.

Textverarbeitungsprogramme für den C 64 gibt es inzwischen wie Sand am Meer. Und fast alle haben eines gemeinsam: Will man den Text in seiner endgültigen Form sehen, so muß man ihn ausdrucken. Es gibt bisher keine befriedigende Lösung, mit den beschränkten Fähigkeiten des VIC-Chips eine saubere 80-Zeichen-Darstellung auf dem Bildschirm zu erhalten, um die gesamte Textbreite vor Augen zu haben. Horizontales Scrolling oder softwaremäßig simulierte 80 Zeichen sind nur Kompromisse. Das einzig Wahre ist eine 80-Zeichen-Karte; eine Hardwarelösung also. Doch leider vertragen sich die meisten Textverarbeitungsprogramme nicht mit diesen Karten.

Doch damit ist jetzt Schluß. Zumindest, wenn man es übers Herz bringt, rund 500 Mark auf den Tisch zu blättern und die 80-Zeichen-Karte »80-ZK-plus« sowie das dafür geschriebene Programm »Protext« zu erwerben. Nicht nur die 80 Zeichen sind es, die dem Ganzen das Prädikat »Textprofi« verleihen. Auch die enorme Vielfalt an Funktionen hebt Protext aus der Masse der Textverarbeitungsprogramme heraus.

80 Zeichen am Bildschirm erleichtern die Textverarbeitung

Befehlsvielfalt

Wer klein anfangen will, der tippt nach dem Laden des Programmes seine Texte so ein, wie er sie später auf dem Papier sehen will und nimmt etwaige Formatierungen und Einrückungen von Hand vor. Dann nur noch zwei Tasten berührt (Fl und A) und schon wird gedruckt. Kurze Zeit später hält man schwarz auf weiß genau das in Händen, was auf dem Monitor stand.

Besonders angenehm bei der Texteingabe ist das Word-Wrapping: Wörter, die nicht mehr in die aktuelle Zeile passen, werden automatisch in die nächste Zeile übernommen. Diese Funktion kann auch abgeschaltet werden. Zur Texteingabe steht ein sehr umfangreicher Befehlssatz zur Verfügung. So lassen sich zum Beispiel einzelne Buchstaben, Wörter, ganze Bereiche oder der gesamte Text löschen. Auch das Gegenteil, das Einfügen von Textstücken ist möglich, die Handhabung aber etwas kompliziert: Hat man den Einfügemodus eingeschaltet, so darf maximal eine Zeile (80 Zeichen) eingefügt werden. Für längere Einfügungen muß der Einfügemodus entsprechend oft ein- und wieder ausgeschaltet werden. In diesem Fall besteht auch die Möglichkeit, einige Leerzeilen zu setzen und dort den Text nachzutragen. Anschließend können alle überflüssigen Leerzeichen aus dem aktuellen Absatz entfernt werden. Das kann über die Optimierungsfunktion automatisch geschehen.

Sehr nützlich sind auch die von Schreibmaschinen bekannten Tabulatoren. Es sind beliebig viele setzbar und es gibt drei verschiedene Typen: normale Text-, Zahlen- und Spaltentabulatoren. Die Zahlentabulatoren helfen, Zahlen untereinander zu setzen, so daß der Dezimalpunkt (oder wahlweise Komma) immer sauber untereinander steht. Mit den Spaltentabulatoren läßt sich der Arbeitsbereich in senkrechte Spalten einteilen, in denen voneinander unabhängig die Texteingabe erfolgt. Da von Spalte zu Spalte gesprungen werden kann, ist ein problemloses Erstellen von Tabellen und Gegenüberstellungen möglich.

Komplette Textbereiche kann man im Speicher kopieren oder verschieben. Einzelne Buchstabengruppen lassen sich im Text suchen und gegen andere ersetzen. Schließlich besteht die Möglichkeit, mit dem Cursor bestimmte Zeilen direkt anzuspringen.

Sehr praktisch ist die Scroll-Funktion. Möchte man sich einen Überblick über den schon geschriebenen Text verschaffen, so kann man ihn mit enormer Geschwindigkeit (über 20 Zeilen pro Sekunde) scrollen. Die Position des Cursors wird dabei nicht verändert, so daß auch schnelle Richtungswechsel möglich sind. Soweit die Befehle, die ständig benötigt werden. Der Rest des Befehlssatzes dient Spezialanwendungen. Erwähnt werden soll hier nur noch, daß jederzeit beliebige Texte auf Diskette, ohne Textverlust, eingesehen werden können. So auch ein mitgelieferter Hilfstext mit einer Kurzbeschreibung der vorhandenen Befehle.

Exzellente Formatierung

Neben den vielen Befehlen zur Texteingabe gibt es eine Gruppe von Befehlen, die sich erst beim Ausdruck bemerkbar machen: die Anweisungen zur Formatierung des Textes. Neben den fast schon simplen Einstellungen für linken oder rechten Rand kann der Text im Blocksatz, also mit glattem rechten und linken Rand gedruckt werden. Zusätzlich kann Protext bei der Textausgabe lange Wörter trennen. Es werden alle deutschen Trennregeln und die wichtigsten Ausnahmen berücksichtigt. Allerdings können auch unsinnige Trennungen entstehen, die der Benutzer selber abfangen muß, indem er Protext anweist, die entsprechenden Wörter nicht oder anders zu trennen.

Die bedruckbare Länge einer Seite und die Anzahl der Zeilen, die tatsächlich bedruckt werden sollen, können einzeln angegeben werden. Der Text wird dann auf jeder einzelnen Seite automatisch vertikal zentriert. Zusätzlich kann ein Seitenumbruch jederzeit oder bedingt erzwungen werden. Bedingt erzwungen bedeutet, daß ein Seitenumbruch stattfindet, wenn beispielsweise nur die Überschrift eines Absatzes auf die vorherige Seite kommen würde. Außerdem können Kopf- und Fußzeilen definiert werden, die am Anfang und am Ende jeder Seite gedruckt werden. Eine automatische Seitenzählung ist vorhanden, so daß die Kopf- oder Fußzeile jederzeit die aktuelle Seitenzahl enthalten können. Einspaltige Ein- und Ausrückungen, beispielsweise für Überschriften oder Kapitelnummern, sind ebenso möglich wie die horizontale Zentrierung einzelner Textzeilen.

Die Formatierung kann in einem Text beliebig oft geändert oder zeitweise ganz abgeschaltet werden.

Die Möglichkeiten sind damit noch nicht ganz erschöpft. Diese umfangreiche Übersicht soll aber genügen. Will man die Formatierung überprüfen, kann man den Ausdruck am Bildschirm simulieren. Hier macht sich der Kauf der 80-Zeichen-Karte bezahlt; spart man doch Unmengen von Druckerpapier für Probedrucke.

Jeder Drucker ist geeignet

Bleiben wir beim Thema Drucker, dem wunden Punkt vieler Textverarbeitungsprogramme. Entweder arbeiten sie nur mit wenig Druckern zusammen oder sie nutzen deren Möglichkeiten nicht aus. Protext hat variable Druckertreiber, die sich auf fast jeden erhältlichen Drucker zurechtschneidern lassen. Dadurch kann der Text nicht nur vernünftig ausgedruckt, sondern auch sämtliche Möglichkeiten des Druckers ausgenutzt werden. Das Erstellen des Treibers ist allerdings etwas kompliziert und langwierig, aber nur ein einmaliger Vorgang.

Im Druckertreiber-Menü werden zuerst einmal alle »normalen« Druckerparameter eingestellt. Dazu gehören die Geräte- und Sekundäradresse des Druckers sowie Werte für Zeilenabstand, Papierlänge, Einzelblatteinzug und automatischen Zeilenvorschub.

Als nächstes folgt eine Code-Wandlungs-Tabelle. Jedem der 255 C 64-ASCII-Codes wird ein Druckercode zugeordnet. Diese Tabelle ist äußerst wichtig, da ja der C 64-ASCII-Code, den auch die 80-Zeichen-Karte verwendet, unterschiedlich zum Standard-ASCII-Code der meisten Drucker ist. Es können auch Steuersequenzen angegeben werden, die zu Beginn und am Ende des Textes sowie für jede einzelne Druckzeile gesendet werden.

Weitere Optionen im Treiber-Menü beziehen sich auf die von Protext »serienmäßig« unterstützten Schrifttypen »Unterstreichen« und »Fettdruck«, deren Steuercodes ja auch für jeden Drucker anders sind. Schließlich lassen sich noch Codes für die verschiedensten druckerspezifischen Eigenschaften definieren. So ist beispielsweise das Hoch- und Tiefstellen von Zeichen möglich, indem man entsprechende Steuercode-Sequenzen auf bestimmte Tasten legt (beispielsweise CTRL + S). Auch frei definierbare Zeichen des Druckers können angesprochen werden. Der erstellte Druckertreiber wird auf Diskette gespeichert und kann jederzeit benutzt werden.

Unterstützung von Floppy und Modem

Die Bedienung einer Diskettenstation gestaltet sich ebenso komfortabel wie die des Druckers. Es werden sowohl die 1541 wie auch das 4040-Doppellaufwerk am IEC-Bus unterstützt. Texte können gespeichert und geladen oder in den aktuellen Text eingefügt werden. Zusätzlich ist das Lesen von Daten aus einem sequentiellen File beim Ausdruck von Serienbriefen und das Arbeiten mit Textbausteinen (Modulen) möglich. Längere Texte, die nicht mehr in den Arbeitsspeicher passen, können direkt miteinander verkettet oder in einem Jobfile zusammengefaßt werden. Daß Directories angezeigt und Befehle an die Floppy gesandt werden können, ist fast schon selbstverständlich.

Einen weiteren Pluspunkt handelt sich Protext durch seine Kommunikationsfähigkeiten ein: Terminalbetrieb wird voll unterstützt. Einerseits kann ein Datenverkehr mit Mailboxen aufgenommen werden, indem man Mitteilungen mit Protext erstellt und danach an die Mailbox sendet. Weiterhin können zwei Computer mit Protext über Telefon Texte austauschen. Dazu ist sogar eine automatische Fehlerkorrektur vorhanden.

Nachdem wir die wichtigsten der vorhandenen Funktionen beleuchtet haben, wollen wir Ihnen noch einige Punkte mitteilen, die uns positiv oder negativ aufgefallen sind. Besonders gut gefallen hat uns der mit 40 000 Zeichen wirklich großzügig bemessene Arbeitsspeicher. Überzeugen konnte auch die sehr hohe Arbeitsgeschwindigkeit in allen Funktionen. Weniger gefallen haben uns aber die teilweise recht umständliche Bedienung und besonders die exotische Tastaturbelegung. Die Umlaute und das »ß« befinden sich an total unüblichen Stellen, an die man sich nur sehr schwer gewöhnen kann. Dies ist zwar nicht durch das Textprogramm bedingt, sondern durch die 80-Zeichen-Karte, aber trotzdem ein großes Minus. Hier sei nochmals darauf hingewiesen, daß der Betrieb von Protext nur mit der Decam-80-Zeichen-Karte und sonst keiner möglich ist.

Die 80-Zeichenkarte 80-ZK-plus von Decam. Nur mit dieser Erweiterung arbeitet Protext zusammen. Einen ausführlichen Test dazu finden Sie in Ausgabe 4/85.

Einige Worte noch zum Handbuch: Dies ist ein umfangreiches und hervorragendes Nachschlagewerk. Zum Einarbeiten für einen Textverarbeitungs-Neuling ist es allerdings weniger geeignet, da die Befehle stur in alphabetischer Reihenfolge und nicht gerade didaktisch günstig erklärt werden.

Wer sich nicht scheut, etwas mehr Geld auszugeben und sich die ungewöhnliche Tastaturbelegung gefallen läßt, der wird in Protext einen zuverlässigen und äußerst vielseitigen Partner zur Textverarbeitung finden.

(Boris Schneider/hm)

Info:
Decam, Postfach 12 32, 7505 Ettlingen, Tel. 0 72 43/6 92 64 Preis: 198 Mark ohne 80-Zeichen-Karte. 80-ZK-plus: 298 Mark

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