Zuviel Programme, keine Ideen?
In Amerika stöhnen die Propheten (und vor allem die, die sich auf die Voraussagen verließen): Sie haben sich offenbar geirrt. Nach den Schätzungen von Future Computing dürften die Softwareumsätze in diesem Jahr nicht um 100 sondern »nur« um 60 Prozent wachsen. Ein anderes Marktforschungsunternehmen, Creative Strategies, schätzt bei Business Software sogar nur 40 (statt vorher über 50) Prozent — und ist bei Heimcomputer-Software noch skeptischer: Die schlechten Umsätze in diesem Sommer könnten zwar saisonbedingt sein — wahrscheinlich fehle es aber an der richtigen Art von Programmen. Ein Mitarbeiter des Verlags Prentice-Hall wurde noch deutlicher: »Es wird ein Haufen Mist angeboten« erklärte kürzlich Lynn Lumsden »Und so etwas kauft der Kunde einfach nicht mehr«. Es gebe, so meinen die Amerikaner, zu viele schlechte und unter den brauchbaren zu viele »me too«-Programme — an der xten Textverarbeitung oder der yten Dateiverwaltung bestehe kein Bedarf; sie drückten höchstens die Preise. Es fehle an guten und innovativen Produkten.
Ein kleines Beispiel dafür, daß sich der Markt anders entwickelte, als viele dachten, bietet Commodore: Mit Handbüchern wird mehr Umsatz gemacht als mit Spiel-Programmen.
Bei Heimcomputersoftware stimmt leider in vielen Fällen das Verhältnis von Nutzen und Kaufpreis nicht — zumal sich Arbeiten von Hobbyprogrammierern häufig mit dem messen können, was kommerziell vermarktet wird. Der Erfolg unseres Einzeiler-Wettbewerbs zeigt, daß es an Ideen ebensowenig mangelt, wie an der Bereitschaft, Anregungen aufzugreifen. Vielleicht sind die Anwender auf dem richtigen Weg — und nur manche Marketing-Profis auf dem Holzweg.
Michael Pauly, Chefredakteur