Nachhilfe auf Knopfdruck
Können in Zukunft Mathematiklernprogramme den bewährten Nachhilfelehrer ersetzen? Um diese Frage zu klären, testeten wir zwölf Programme von fünf Anbietern, die den Mathematikunterricht in den unteren Klassen unterstützen sollen.
Ein Mathematikprogramm sollte danach bewertet werden, wieviel Wissen, in bezug zum jeweiligen Klassenlehrplan, vermittelt wird. Dabei spielt die Aufmachung eine große Rolle. Die Programme sollten auf psychologische und pädagogische Erkenntnisse und Grundsätze aufbauen: keine Bestrafung bei falschen, aber ein Lob bei richtigen Lösungen. Ein falscher Tastendruck darf nicht zu irritierenden Fehlermeldungen oder Systemabstürzen führen.
Lernen mit Leopold
Der Schulbuchverlag Westermann reiht sich mit sieben Programmen in die Avantgarde der Lernsoftware ein. Wir haben zwei der drei von Westermann angebotenen Mathematikprogramme getestet: Bruchrechnung Teil 1 und Prozentrechung.
Zu Beginn des »Unterrichts« wählt der Schüler die Art und Anzahl der Aufgaben. So kann man zum Beispiel bei Prozentrechnung zwischen dem Grund- oder Prozentwert und dem Prozentsatz entscheiden. Die Aufgaben werden in zwei Schritten, wie im Schulheft, ausgerechnet. Im ersten Lösungsschritt wird das Lösungsschema verlangt , im zweiten das Ergebnis. Stimmt die Lösung, freut sich das Lektionsmaskottchen »Löwe Leopold« und zeigt kleine »Dressurakte«. Ist das Ergebnis falsch, röhrt Leopold und fragt, ob man noch einen Lösungsversuch unternehmen will. Wenn nicht, zeigt das Programm den Lösungsweg und das Ergebnis. Auf Wunsch kann man sich mit Fl das Lösungsschema anhand eines Beispiels ausführlich zeigen lassen.
Die Mathematikprogramme von Westermann sind grafisch ansprechend aufgebaut. Das Lob dürfte Kinder zum Rechnen weiterer Aufgaben animieren. Bei falschen Lösungen wird der »Schüler« von seinem elektronischen Lehrer nicht mit frustrierenden Kommentaren oder Noten traktiert, die mehr zum Ausschalten des Computers als zum Lernen anspornen.
Für 69 Mark (nur auf Diskette) pro Lektion, bekommt man also Programme von Westermann, die zur Übung von einfachen Rechenaufgaben geeignet sind, wobei der Kopf schon mal raucht, wenn alle Aufgaben ohne Taschenrechnner erledigt werden.
Lernen — Trainieren — Begreifen
Ein anderer Lehrmittelverlag versucht sich ebenfalls mit Lernprogrammen auf dem Markt zu behaupten: Hagemann aus Düsseldorf. Hagemann bietet verschiedene Mathelektionen an, die sich auf sieben Kassetten und sechs Disketten verteilen. Die Kassetten kosten ab 38,50 Mark, die Disketten zwischen 65 und 69 Mark.
Am besten gefiel, wie die Aufgaben zu lösen waren. Bei den vier Grundrechnungsarten erfolgen die Rechnungen wie auf einem Blatt Papier. Überhaupt nicht begeistern konnte die Art der Eingaben. Bei den Grundrechungsarten wird durch eine GET-Routine eingelesen, was Tippfehler sofort als Rechenfehler abstempelt. Bei Prozent- und Zinsrechnung läuft die Eingabe über einfache INPUTs, was dazu führt, daß das Programm unsinnige Eingaben erlaubt und der Computer dann Fehlermeldungen des Betriebssystems ausgibt. Wie Hagemann versicherte, sollen ab Dezember neue Programmversionen auf den Markt kommen, die Eingabefehler abfangen. Die optische Aufmachung der Lernprogramme für Grundrechenarten ist für die Zielgruppe der Rechenanfänger angemessen, könnte aber besser gestaltet sein. Dafür gibt es ausführliche Beispiele mit Erklärungen bei falschen Antworten. Besonders ist hervorzuheben, daß die Programme über keinen Kopierschutz verfügen. Der Schüler kann das Programm listen und anschauen, um einen Bezug zum Computer zu bekommen. Das soll auch bei den neuen Versionen so bleiben, falls es programmtechnisch möglich ist.
Mathe für den Junior
Mit »junior mathemat« bietet Data Becker ein Spiel- und Lernprogramm an. Es soll, wie im Vorwort zum Programm steht, den Mathematikunterricht, von der Grundschule an, begleiten. Das Programm umfaßt eine Vielzahl von Aufgabenstellungen. Neben den vier Grundrechenarten soll »junior mathemat« auch beim Üben von Mengenlehre, Maßeinheiten, Zahlenbetrachtungen und Ungleichungen zur Seite stehen.
Bevor man sich ans Werk macht, muß erst langwierig für jeden Schüler eine Datei auf einer eigenen Diskette kreiert werden. Diese enthält Angaben über die Anzahl und Art der Aufgaben, die gestellt werden sollen, und den Namen des Schülers. Beim Formatieren dieser Diskette ist es dringendst zu empfehlen »junior mathemat,ma« als Diskettennamen einzugeben, um nicht beim späteren Arbeiten einen »Diskettenfehler« zu erzeugen. Wegen des vorhandenen Kopierschutzes kann die Datei mit den persönlichen Angaben leider nicht auf der Programmdiskette abgespeichert werden und macht dadurch den Schüler zum Diskjockey.
Hat man wieder die Programmdiskette eingelegt und »junior mathemat« gestartet, wird der Name abgefragt. Entspricht die Schreibweise nicht exakt der in der Datei, wird erklärt, daß der Name falsch eingegeben ist. Man erhält keinen Hinweis, wo der Fehler zu suchen ist.
Pädagogisch nicht sinnvoll ist die Art, mit der ein Schüler bei einem falschen Ergebnis konfrontiert wird: Pro falsche Antwort sind drei Fragen mehr zu beantworten. Diese Strafarbeit läßt das Programm schnell unattraktiv werden. Als Belohnung bietet das Programm ein grafisch unbedeutendes Fangspiel an, das nicht unbedingt zum Weiterüben reizt.
Hat der Schüler den Aufgabenkatalog durchgearbeitet, steht eine Erfolgskontrolle zur Verfügung, die nach jeder Übungsstunde aktualisiert wird. Wegen der frustrierenden Art, mit der dem Schüler, bei falschen Antworten, Zusatzaufgaben aufgebrummt werden und der schwachen Benutzerführung konnte »mathemat junior« nicht überzeugen. Das Programm kostet 69 Mark (nur Diskette erhältlich).
Sucess With Math — Lernen mit Erfolg
Schon seit längerem bietet CBS-Software Lernprogramme auf dem amerikanischen Markt an. CBS will nun den deutschen Markt mit einer Serie von Mathematikprogrammen erobern.
»Sucess With Math« heißt der Slogan und die Programmserie. Das Aufgabenspektrum der Serie reicht von den Grundrechungsarten bis zu linearen und quadratischen Gleichungen. Das erste der acht Lernpakete umfaßt die Rechenarten Addition und Subtraktion. Die einzelnen Übungen werden dem Schüler lieblos vorgesetzt, so daß der Spaß am Lernen schnell schwindet. Bei bestandenen Lektionen winkt kein Lob in Form von Grafik oder Sound. Statt dessen erhält man eine trockene Fehleranalyse serviert. In jedem Schulbuch wird der Lernstoff attraktiver angeboten.
Die anderen Lernpakete wie Multiplikation und Division konnten ebensowenig überzeugen, wie die letzten beiden Lektionen über lineare und quadratische Gleichungen.
Ein zusätzlicher entscheidender Nachteil der CBS-Lernpakete ist die Tatsache, daß die Programme in Englisch abgefaßt sind und dadurch die größte Zielgruppe der Anwender, Schulkinder in den unteren Klassen, völlig verfehlen. Von Programmen dieser Preisklasse (Kassette 49 Mark, Diskette 69 Mark) sollte man mehr erwarten können.
Im Labyrinth der Mathematik
Mit »TRI-MATH« bietet Hesware ein Lernprogramm an, das schon nach dem Laden durch die hervorragende grafische Aufmachung die Aufmerksamkeit des Schülers auf sich lenkt. Das Programm besteht aus drei Teilen: zwei Science-fiction-Teilen und einem Adventure. In jedem der Programmteile soll der Schüler, auf recht spielerische Weise, Kopfrechnen üben. Die Aufgaben entsprechen dabei den Anforderungen der unteren Schulklassen. Es werden die Grundrechenarten verlangt. Im ersten Spiel gilt es schneller zu rechnen als ein kosmischer Gegner. Im zweiten müssen für einen »Digitosaurus« Aufgaben gelöst werden, damit dieser alt und weise wird und schließlich mit seinem Helfer in der »Hall of Fame« landet. Der dritte Teil, ein Adventure, bei dem richtige Lösungen Tür und Tor öffen, besticht durch seine grafischen Fähigkeiten.
Trotz der guten Eigenschaften wird sich »TRI-MATH« schwer am deutschen Markt durchsetzen, da das Programm in Englisch abgefaßt ist und nur einfache Aufgaben stellt.
Es war nicht immer so
Mathematiknachhilfe mit dem Computer ist eine neue Art des Lernens. Die Programme dazu können ohne weiteres als Prototypen bezeichnet werden, die noch verbesserungsbedürftig sind. Man sollte das Programmangebot gründlich prüfen, da, neben einigen brauchbaren Programmen, noch sehr viele existieren, die den Namen »Lernprogramm« nicht verdienen.
(hm)