Der C 64 als Speicheroszilloskop
Mit einem Bausatz können Sie Ihren C 64 zu einem Speicheroszilloskop ausbauen. Aperiodische Vorgänge bis zu 1,5 Stunden können erfaßt werden.
Ein Oszilloskop besteht in der Hauptsache aus einer Kathodenstrahlröhre mit vier im Kreis angeordneten Ablenkplatten. Wird eine Spannung zwischen die oben- und untenliegenden Platten angelegt, wird der Elektronenstrahl vertikal abgelenkt. Die Ablenkung erfolgt proportional zum Signalpegel. Damit auch in waagrechter Richtung etwas passiert, liegt an den horizontalen Platten eine Sägezahn-Spannung, die den Strahl ständig von links nach rechts über den Bildschirm führt. Da dabei alles so schnell geht, daß das Auge nicht mehr mitkommt, sehen Sie beispielsweise eine Sinuskurve auf der Mattscheibe, wenn an den vertikalen Platten eine sinusförmige Spannung anliegt. Schalten Sie die Sinusspannung ab, erscheint am Bildschirm ein waagrechter Strich. Aus diesem Grund können Sie mit einem einfachen »Oszi« nur periodische Vorgänge über Spannungsänderungen verfolgen.
Das Problem, das beim Aufnehmen von aperiodischen Vorgängen entsteht, liegt an der Arbeitsweise der Kathodenstrahlröhre, die ständig ein periodisches Signal benötigt, um ein sichtbares Bild erzeugen zu können. Das Prellen eines Relais kann deshalb nicht direkt sichtbargemacht werden; das Relais prellt eben nur einmal. Um solche aperiodische Ereignisse zu erfassen, benötigt man einen Transientenspeicher oder ein komplettes Speicheroszilloskop. Beide Meßgeräte sind im Normalfall, wegen ihrem Preis, nur dem Profi vorbehalten. Einen professionellen Meßplatz zeigt Bild 1. Das Prinzip eines Transientenspeichers kann mit wenigen Worten so erklärt werden: Er mißt nur eine bestimmte Zeit lang, speichert die Meßwerte und simuliert immer wieder von neuem den gemessenen Spannungsverlauf. Auf diese Weise wird aus einem aperiodischen ein periodisches Signal, das ein einfaches Oszilloskop verarbeiten kann.

Die Länge der Meßzeit kann gewöhnlich im Bereich von Mikrosekunden bis zu einigen 100 Millisekunden eingestellt werden. Der Meßvorgang startet, wenn ein bestimmter Anschluß auf Plus oder Minus gelegt wird, oder wenn das zu messende Signal größer oder kleiner wird. Im ersten Fall spricht man von einer externen, im zweiten von einer internen Triggerung (engl.: to trigger = auslösen). Während des Meßvorgangs wird das ankommende Signal digitalisiert und gespeichert. Das Digitalisieren kann man sich so vorstellen: Bei einer Meßzeit von 1 Sekunde wird, zum Beispiel, alle ⅟1000-Sekunde die Stärke (Amplitude) des Signals gemessen und ihr Werte von 0 bis 255 zugeordnet. Die digitalisierten Amplituden werden mit der zugehörigen Zeit in einer zweidimensionalen Matrix gespeichert. Vorstellbar als ein Koordinatensystem, in dem die Amplitudenwerte gegen die Zeit aufgetragen sind. Verbindet man die Amplitudenpunkte in dem Koordinatensystem miteinander, erhält man wieder den analogen Amplitudenverlauf. Der für den Außenstehenden etwas seltsame Wertebereich von 0 bis 255 ergibt sich dadurch, daß die größte Zahl die durch 8 Bit dargestellt werden kann, 255 ist.
Preiswerte Lösung
Der Hobby-Elektroniker der einen C 64 zu Hause hat, kann mit dem Speicher-Oszilloskop-Interface von Print-Technik seinen Computer auch als Speicheroszilloskop verwenden. Zum Umbau wird nur eine Platine (Bild 2) in den User-Port gesteckt und ein kleines Programm geladen. Der Anwendungen gibt es viele: Untersuchen des Einschaltverhaltens von Netzteilen, Nachweis induktiver Störungen in Leitern oder dem Erfassen beliebiger Signalverläufe periodischer oder aperiodischer Natur. Das Interface besteht aus einer 6,5 cm x 15 cm großen Platine mit angelötetem User-Port-Stecker. Es wird als Fertiggerät und als Bausatz angeboten. Da die Packungsdichte nicht sehr groß ist, dürfte das Einlöten der Bauteile auch dem Elektronikanfänger keine Schwierigkeiten bereiten. Wie beim Bestücken jeder doppelt kaschierten Platine muß auch bei dieser etwas Konzentration aufgebracht werden, will man keinen Lötpunkt auf der Bestückungsseite vergessen. Dem Bausatz liegt eine kurze Beschreibung bei.

Der darin enthaltene Bestückungsplan zeigt die Lage der Bauteile zum Einlöten und die erforderlichen 21 Durchkontaktierungen der beiden Leiterbahnseiten. Unter dem Durchkontaktieren einer Platine ist das Verbinden von Lötösen auf der Ober- und Unterseite der Platine zu verstehen.
So funktioniert's
Das ankommende Signal wird dem Eingangsverstärker (Bild 3) über einen Spannungsteiler zugeführt, der drei Meßbereiche erlaubt: 100 mV, 1 V und 10 V pro Rastereinheit. Die Umschaltung erfolgt mit einem Drehschalter. Mit dem Kalibrierungsregler kann eine zusätzliche Feineinstellung des Meßbereichs vorgenommen werden. Da dabei die Signalstärke unkontrolliert abgeschwächt wird, dient dieser Regler nur dazu, ein Oszillogramm bildschirmfüllend abzubilden. Um die Signalspannung am Raster ablesen zu können, ist es nötig die Meßschaltung bei voll aufgedrehter Feineinstellung abzugleichen und mit dieser Reglerstellung auch zu messen. Wenn Sie im Blockschaltbild (Bild 3) das Signal auf seinem Weg verfolgen, finden Sie nach dem Eingang einen Kondensator und einen Schalter mit der Bezeichnung AC/DC. Mit diesem Schalter können Sie die Betriebsart des Interfaces festlegen. Steht der Schalter auf AC (alternate current, Wechselstrom), muß das Signal »durch einen Kondensator«, dessen elektrischer Widerstand reziprok zur Frequenz des Stroms ist. Auf diese Weise kann man aus dem Eingangssignal einen eventuell vorhandenen Gleichspannungsanteil filtern. In der Schalterstellung DC (direct current, Gleichstrom) wird der Kondensator überbrückt und der Gleichspannungsanteil mitgemessen. In einem Oszillogramm macht sich eine Gleichspannung durch eine Verschiebung der Kurvenlage in vertikaler Richtung bemerkbar. Die Meßkurve verschiebt sich am Bildschirm nach oben bei einem positiven und nach unten bei einem negativen DC-Anteil.

Nach dem Eingangsverstärker wird der Signaloffset geregelt, der für die Null-Lage zuständig ist. Der Offset wird beim Abgleich mit einem Spindelpotentiometer justiert. Mit dem dritten Operationsverstärker (»Trig. Verst.«) wird die Pegelschwelle für interne Triggerung eingestellt. Mit einem Schalter kann entweder ein positiver oder ein negativer Pegel als Trigger gewählt werden.
Der A-D-Wandler ordnet schließlich den analogen Werten digitale zu, die von der Software verarbeitet werden. Das Programm übernimmt dann die Auswertung der digitalen Werte und die Zeichnung des Oszillogramms am Bildschirm (Bild 4) oder auf dem Plotter 1520 von Commodore.

Abgleich mit kleinen Problemen
Der Abgleich der Schaltung ist einfach, sofern man über eine Wechselspannungsquelle mit 283 mV und ein Voltmeter verfügt. Was Schwierigkeiten bereitet, ist das Auffinden des Pin 8 des ICs TL084: Die Bezeichnungen der ICs sind fein säuberlich abgekratzt. Statt deren findet man nur zwei Aufkleber mit den Bezeichnungen »A« und »B«. Nirgends in der Beschreibung steht, welches IC das TL084 ist. Wir können Ihnen sagen, daß es das IC »B« ist (Firma Brockner). Nach dem Abgleich ist das Interface betriebsfertig. Da keine Abschirmung der Elektronik notwendig ist, muß die Platine nicht unbedingt in ein Gehäuse eingebaut werden.
Nach dem Laden und Starten des kurzen Programms können Sie die meisten Meßeinstellungen anhand eines Menüs vornehmen.
Die Zeitbasis kann zwischen einer Millisekunde und 500 Sekunden pro Rastereinheit variiert werden, das entspricht einer Zeitspanne von 10 Millisekunden bis etwa 1,5 Stunden auf dem Bildschirm. Da bis zu 95 Bildschirmseiten auf einmal gemessen werden können, sind extreme Langzeit-Messungen möglich. Die einzelnen Seiten können Sie nach der Messung, mit der + und der — Taste durchblättern oder mit einem 1520-Plotter ausdrucken lassen, auch nur abschnittsweise. Die Triggerart ist sehr einfach von intern auf extern umzuschalten. Die interne Triggerung erfolgt, wenn das Signal eine bestimmte Spannungsschwelle über- oder unterschreitet.
Der Schaltpegel wird, wie gesagt, mit einem Potentiometer und einem Schalter auf der Platine eingestellt. Extern bestimmen Sie den Meßbeginn durch Drücken der SPACE-Taste. Während der Meßzeit ist der Bildschirm rot. Nach der Messung erscheint sofort das Oszillogramm. Bei interner Triggerung wechselt die Hintergrundfarbe von Blau nach Rot, wenn die Messung beginnt. Haben Sie das Oszillogramm auf dem Bildschirm, können Sie das Meßraster und die Verbindungslinien zwischen den Meßpunkten ein- und ausschalten; einfach durch Drücken der R- oder V-Taste.
Auflösung: 23 Messungen/Zeiteinheit
Pro Zeiteinheit holt sich das Programm immer 23 Meßwerte über den User-Port vom A-D-Wandler. Auf diese Art setzt sich eine Bildschirmseite aus 230 Messungen zusammen. Zieht man von den 320 horizontalen Bildpunkten des C 64 etwa 90 für die Angaben zum Oszillogramm auf der linken Seite ab, bedeutet das, daß die Auflösung an der Grenze der Darstellbarkeit liegt. Das Programm ermittelt selbsttätig, in welchen Zeitabstand die einzelnen Messungen durchzuführen sind.
Noch vor einem Jahr war der C 64 nichts weiter als Heim-Computer zum Spielen und Programmieren. Inzwischen hat er sich gemausert. Sein Einsatzbereich erstreckt sich bis hin zu Meß- und Steuerungsaufgaben in der Industrie. Im privaten Bereich sind inzwischen keine Grenzen der Anwendung mehr gesetzt.
Die Vielseitigkeit des C 64
Hardwarezusätze ermöglichen die Erfassung und Verarbeitung fast aller Daten. Ob Sie nun Ihre Haustüre mit einem Codeschloß sichern oder die Zentralheizung, wegen der Heizkosteneinsparung, zimmerabhängig regeln wollen. Daß Sie Ihren C 64 auch als Speicheroszilloskop verwenden können zeigt beispielsweise die Möglichkeiten die in einem Heim-Computer stecken. Das Speicher-Oszilloskop-Interface von Print-Technik wird dem Profi zwar nicht viel nützen, doch für den Hobby-Elektroniker dürften die Meßgenauigkeiten ausreichend sein.
Der Bausatz kostet 298 Mark, das Fertiggerät 398 Mark. Es lohnt sich also, das Interface als Bausatz zu kaufen. Zum Vergleich: Ein professionelles Speicheroszilloskop kostet etwa das sechsfache. Wie uns Brockner mitteilte, können Sie für 50 Mark auch ein Modul mit der Software bekommen. Sie ersparen sich dann das Laden von Diskette.
(hm)Info: Bezugsquelle: Pitt Jörn Brockner, Computer Peripherien, Heidelbergerstr. 6, 8000 München 40, Tel. 0 89/36 8197