Commodore gestern heute morgen
Wer hätte das vor zwei, drei Jahren zu denken gewagt? Ein Hersteller hält 50 Prozent des Marktes bei den Heimcomputern. Commodore hat es geschafft. Angefangen hat das mit Schreibmaschinen. Was jedoch noch viel interessanter ist, wie wird es weitergehen?
Er war eigentlich schon längst überfällig, der Bericht über die Entstehungsgeschichte von Commodore. Zum Jahreswechsel sollen deshalb der Werdegang und die Zukunftsaussichten dieses faszinierenden Unternehmens beschrieben werden.
Vor rund 26 Jahren wurde ein kleiner Verkaufs- und Reparaturladen für mechanische Schreibmaschinen in Toronto, Kanada, in Commodore International Limited umbenannt. Damit war der Name für den erfolgreichsten Personal- und Heim-Computer-Hersteller geboren. Inhaber dieser kleinen Firma war Jack Tramiel. Tramiel ist polnischer Abstammung, überlebte das Konzentrationslager und wanderte nach Nordamerika aus. Im Jahre 1958 hat er dann den kleinen Schreibmaschinenladen aufgemacht. Diesem Tramiel dürfte auch der Erfolg der ersten 25 Jahre zu verdanken sein. Er wird als ein Mann beschrieben der die Fähigkeit hat, im Bereich der Elektronik für Heim und Beruf die zukünftigen Bedürfnisse zu erkennen, und was noch viel wichtiger ist, rechtzeitig darauf zu reagieren. Das ist der Punkt, der Commodore auch heute noch auszeichnet.
Während dieser ersten Jahre entwickelte sich Commodore von einem Verkaufs- und Reparaturladen durch den Zukauf einer Berliner Firma, zum Hersteller für eben diese Schreibmaschinen. Anfang der 60er Jahre bot die Firma eine große Palette an Büroausrüstungen an, zudem übernahm sie den Vertrieb von Büromöbeln.
1965 kaufte Commodore die Möbelfirma, deren Distributor sie bisher war, auf und zog in deren Bürogebäude ein. Commodore stellt übrigens immer noch Büromöbel her, hauptsächlich Schränke und Tische sowie die Gehäuse für die CBM-Serie. Im selben Jahr lernte Tramiel den kanadischen Rechtsanwalt und Bankier Irvin Gould kennen, den jetzigen Präsidenten von Commodore. Diese beiden machten Commodore zu der Firma, die sie heute ist. Eines der ersten Aktionen dieses Führungsteams war es, die Firma für mechanische Addiermaschinen zu verkaufen, mit der Absicht sich einen japanischen Hersteller zu angeln, für den sie den Vertrieb übernehmen könnten. Während seines Aufenthalts in Japan bekam Tramiel dabei zum erstenmal eine elektronische Addiermaschine zu Gesicht. Er erkannte sofort, daß dieses Ding das Aus für die mechanischen Addiermaschinen bedeuten würde. Mit der auch heute noch gültigen Commodore-Philosophie »Wenn Du nicht Dein eigener Konkurrent bist, werden es andere für Dich sein« gab Tramiel die Suche nach dem mechanischen Addiermaschinenhersteller auf, fand dafür aber eine Firma die bereit war, unter dem Namen Commodore elektronische Rechner herzustellen.
1969 lief die Produktion in eigenen Werkstätten an. Man benötigte allerdings die ICs von Texas Instruments dafür. Damit gelang es Commodore aber, auch den ersten »richtigen« Taschenrechner — C108 genannt — mit sage und schreibe den gesamten vier Grundrechenarten auf den Markt zu bringen. Interessanterweise kostete dieser Taschenrecher damals genausoviel wie der C 64 heute. Bis 1974 weitete Commodore die Produktpalette der Taschenrechner kontinuierlich aus. Es kamen spezielle technisch-wissenschaftliche Rechner, »richtige«, programmierbare Computer und Speichereinheiten hinzu. Zu dieser Zeit war Commodore extrem abhängig von Zulieferungen der IC- und Anzeigenhersteller.
Schritte zur Unabhängigkeit
Dann kam auch noch hinzu, daß 1975 Texas Instruments mit der Produktion von eigenen Taschenrechnern begann und damit als direkter Konkurrent des früheren Kunden auftrat. Zur selben Zeit setzte der Preisverfall bei den Chips ein und Commodore sah sich einem großen Lagerbestand an (teuer eingekauften) ICs und Rechnern gegenüber, während die Marktpreise fielen und die Konkurrenz wuchs. Diese Situation führte bei Tramiel zu der Entscheidung, nie wieder von Dritten abhängig zu sein. 1976 erwarb Commodore deshalb MOS Technology, einen ehemaligen Halbleiterzulieferanten. 18 Monate später folgte der Kauf des Chip-Herstellers Frontier in Los Angeles, dessen Produktspektrum eine ideale Ergänzung zu den Erzeugnissen von MOS darstellte. Zur Komplettierung diente dann noch der Erwerb von Micro Display Systems, einem Hersteller von Flüssigkristall-Anzeigen in Dallas. Durch diese Zukäufe sammelte sich bei Commodore mehr Know-How und Produktionskapazität in den wichtigsten Schlüsseltechnologien an, als es bei wesentlich größeren Konkurrenten der Fall war. Dieses Alles-in-einem-Haus-Konzept ermöglichte es Commodore, speziell für die eigenen Bedürfnisse zu entwickeln und zu produzieren. Dadurch hatte und hat Commodore einen nicht unerheblichen Zeitvorsprung bei der Entwicklung neuer Produkte und der Kosteneinsparung durch rationelle Produktion, die sich natürlich im Preis/Leistungsverhältnis zu Gunsten des Verbrauchers niederschlugen.
1977 kam dann der große Durchbruch, der erste richtige Personal Computer mit dem Namen PET wurde vorgestellt. Der PET (Personal Electronic Transactor) besaß bereits den von MOS konstruierten 6502-Prozessor, den auch einige Mitbewerber in ihre Systeme einbauten. Dieser PET kann als der Großvater des heutigen Heim- und Personal-Computermarktes angesehen werden. Der PET wurde weltweit vertrieben und erreichte gerade in Europa durch Schulen, Universitäten und den heimischen Wohnzimmern eine große Akzeptanz. Es folgten die Serien CBM 4000 und CBM 8000, die sich durch einen größeren Speicherplatz auszeichneten. Sie waren jedoch mehr auf den Profi-Markt ausgelegt, und zielten nicht so sehr auf den Heimbereich.
Dieser wurde 1981 von dem »Volkscomputer« VC 20 abgedeckt. Über den Erfolg des weltweit mehr als zweimillionenmal verkauften VC 20 braucht eigentlich nichts gesagt zu werden.
Mit dem Erfolg des VC 20 gab sich Commodore aber noch nicht zufrieden. 1982 stellte man den C 64 vor. Ein System, das erstmals mit der magischen Zahl 64-KByte RAM-Speicher zu einem vertretbaren Preis aufwarten konnte. Auch über dieses System zu schreiben ist müßig, die meisten Leser wissen bestens bescheid über diesen Computer.
Anfang 1984 gab es dann ein großes Zerwürfnis bei Commodore. Jack Tramiel verließ »seine« Firma. Die Gründe sind vielfältiger Natur. Die Fähigkeiten von Tramiel sind unbestritten. Er war es in der Vergangenheit, der Commodore zu dieser Weltstellung verhalf. Auf der anderen Seite, hatte er sein Unternehmen mehr oder weniger als Diktator geleitet. Entscheidungen wurden grundsätzlich in der Firmenspitze getroffen, also von Tramiel. Als er aber versuchte seine Söhne in die höheren Posten bei Commodore einzuschleusen regte sich Widerstand, nicht zuletzt von Irvin Gould. So kam es zu dem großen Bruch, Tramiel verließ Commodore. Er kaufte sich die marode Abteilung Atari von Warner Corporation und versucht seitdem diesem Computer- und Spielemodulhersteller wieder auf die Beine zu helfen. Man munkelt aber bereits von erheblichen Finanzierungsschwierigkeiten. Dennoch herrscht in den USA die Meinung vor, man sollte Tramiel nicht unterschätzen und könne gespannt sein, was in Zukunft von Atari zu erwarten sei.
Zu erwarten ist von Atari sicherlich nicht mehr der Amiga-Computer. Atari stand mit der Firma Amiga in Verhandlungen, deren Neuentwicklung, einen Macintosh-ähnlichen Computer zu vertreiben. Dieser Absicht ist Commodore mit dem kompletten Aufkauf der Firma Amiga zuvorgekommen. Es wird erwartet, daß dieser »Amiga« bereits im Herbst 1985 in Deutschland erhältlich sein soll. Die angekündigten Leistungsmerkmale lassen einiges erhoffen: höhere Bildschirmauflösung als der Macintosh und das bei farbiger Darstellung, schnellerem Prozessor, größerer Speicherkapazität und einem Preis der nur die Hälfte des Mac betragen soll. Dem hat Atari nichts gleichwertiges entgegenzusetzen. Im Gegenteil, der Ausverkauf des 800 XL mit Dumping-Preisen beweist, daß Atari momentan in erheblichen Schwierigkeiten steckt.
Zu den neuen Computern C16/C116 und Plus/4 von Commodore hat sich der Commodore-Guru Jim Butterfield äußerst positiv ausgelassen. In einem Interview anläßlich der CFA (Commodore Fachausstellung in Frankfurt) vertrat er die Auffassung, daß diese Computer durchaus ihre Chance auf dem Markt haben werden. Der C 16/C 116 ist der direkte Nachfolger für den Veteran VC 20. Warum sich die Anschaffung dieses Einsteiger-Computers lohnt, können Sie im Testbericht in dieser Ausgabe nachlesen. Zum Plus/4 werden wir einen ausführlichen Testbericht in der nächsten Ausgabe bringen. Eine weit verbreitete Meinung ist, daß der Plus/4 der direkte Nachfolger des C 64 sei, wie dies der C 16 für den VC 20 ist. Man ist, als Anhänger dieser Meinung, dann natürlich enttäuscht. Der Plus/4 hat ja im Vergleich zum C 64 wesentlich weniger in Bezug auf Grafik (keine Sprites) und Ton (nur eine Stimme) zu bieten. Die eingebauten Programme sind zwar bei Commodore ein Novum, aber er ist nicht einmal kompatibel zum C 64.
Das soll er wohl auch nicht sein, denn er ist nicht der Nachfolger des C 64. Der Plus/4 soll den Anwenderbereich nach oben hin ergänzen, und den C 64 nicht ersetzen. Er ist also nicht für den typischen Heimbereich konzipiert, sondern mehr für die semiprofessionelle Anwendung in Betrieben kleiner und mittlerer Größe. Wahrscheinlich hat Commodore bei diesen Anwendern noch eine Marktlücke entdeckt, und gedenkt diese mit dem Plus/4 abzudecken. Ob dem so ist, wird die Zukunft zeigen.
Während sich für den C 16/C 116 eine glänzende Zukunft voraussagen läßt, bleibt beim Plus/4 eine gewisse Skepsis angebracht. Vor allen Dingen die Nicht-Kompatibilität mit dem C 64 steht dem wohl im Wege.
Doch wie ich Commodore kenne, wird mit einen einwandfrei zu bestimmenden Nachfolger für den C 64 im Jahre 85 oder 86 zu rechnen sein. Diese Ausssage gilt natürlich nur für den amerikanischen Markt. Es kann durchaus noch dieses »neue« Jahr in Deutschland verstreichen, bis der »Nachfolger» auch bei uns in Stückzahlen erhältlich ist. Ob er dann kompatibel zum C 64 ist, welche Leistungsmerkmale ihn auszeichnen, wieviel er kosten wird, bleibt abzuwarten. Wird er 128 oder 256 KByte RAM zur Verfügung stellen, welcher Prozessor ist eingebaut, ist er hundertprozentig kompatibel oder gar CP/M- beziehungsweise MS-DOS-fähig? Das bringt wohl alles das Jahr 1985 zutage.
Was ist also 1985, im Jahr nach der berühmten orwellschen Wendemarke, zu erwarten? Auf jeden Fall der »Amiga«, ein Computer, der dem Macintosh oder gar der Lisa das Leben schwer machen wird. Dann der C 16/C 116 mit glänzenden Zukunftschancen als Einsteigercomputer. Der Plus/4, von dem man noch nicht genau weiß, was man von ihm halten soll. Und schließlich der sehnlichst erwartete Nachfolger des C 64. Kommt er oder kommt er nicht? Das ist hier die Frage.
(aa)