MCI Mail: die schnelle Post

In den USA gibt es private Postbeförderungsunternehmen mit einem erstaunlichen Angebot. Wir wollen am Beispiel der MCI Mail zeigen, was diese Firmen zu leisten imstande sind. Vor allem soll aber der C 64 über das Datex-P-Netz an diesem Service teilnehmen.

Briefe, genau genommen deren Laufzeit zum Empfänger, sind nicht nur hier in der Budesrepublik ein ständiges Ärgernis und ein Dauerthema in den Tageszeitungen. In den USA sind die (Post-) Wege naturgemäß noch länger und die staatliche US-Mail muß sich häufig vorwerfen lassen, eine »Snail-Mail«, eine Schneckenpost zu sein. Und wenn es bei uns in Deutschland darum geht, ob ein 80-Pfennig-Brief nun wirklich am nächsten Morgen vom Briefträger ausgetragen wird oder nicht, dann geht es in Amerika darum, ob der Brief mit »Federal Express Overnight Delivery« für 14,00 Dollar (43 Mark) nun wirklich über Nacht von New York nach San Francisco gelangt.

Wen wundert es da, daß in den USA das Geschäft mit der privaten Postbeförderung blüht. In TV-Werbespots stechen sie sich gegeneinander aus, einer ist schneller und sicherer als der andere.

Den Vogel abgeschossen, und man könnte fast meinen, das Wappentier der USA sei damit gemeint, hat zweifellos ein Unternehmen, das schon seit Jahren mit ihren preiswerten Telefon-Fernleitungen der großen »Ma Bell« beziehungsweise der AT & T Konkurrenz macht: MCI. Diese Gesellschaft ist inzwischen so mächtig, daß sie eine große und bekannte Kommuniktions-Gesellschaft, die Western Union (WUI) mit ihren Telex-Netzen geschluckt hat. MCI hat also eine Tochtergesellschaft gegründet: die MCI Mail — The nation’s new postal system.

Seit rund einem Jahr gibt es MCI Mail, und die Anzahl der Benutzer vermehrt sich geradezu nach dem Schneeball-System. Der Grund: die Postbeförderung von MCI braucht nur Sekunden! Das Geheimnis: elektronische Postfächer, also »Mailboxen« mit den Zusatzdienstleistungen eines riesigen Kommunikations-Apparates, seinen Datenleitungen, Druckerstationen, Telegrammboten und Telexnetzen. Und das Ganze zu erschwinglichen Preisen.

Die jährliche Grundgebühr, die Annual Mailbox Fee, beträgt 18 Mark, auf den Monat umgerechnet also 1,50 Dollar oder rund 4,50 Mark.

Einen »Kurzbrief« von bis zu 500 Zeichen abzuschicken kostet 0,45 Dollar oder 1,35 Mark, ein Brief von bis zu 7 500 Zeichen (etwa 4 Druckseiten) je 1 Dollar, also 3 Mark. Eine Speicherbenutzungsgebühr gibt es nicht. Es ist also völlig egal, wie lange der Brief im Speicher »lagert«. Das »Abholen« der Briefe aus dem Speicher ist kostenlos. In den meisten Städten der USA gibt es Telefonnummern, unter denen MCI Mail zum Ortstarif erreichbar ist. Wohnt man in ländlichen Gebieten, benutzt man eine sogenannte WATS-line, eine Telefonnummer mit der Vorwahl 800, bei der der Angerufene, also MCI Mail, die Gebühren übernimmt. Dieser Service ist dann allerdings mit 15 Cents pro Minute in der nächsten Monatsrechnung wiederzufinden.

Mit diesen Gebühren ist damit innerhalb derUSA der ganz Spaß bezahlt. MCI Mail wäre aber kein typisch amerikanisches System, wenn es nicht zusätzlich eine Vielzahl von erstaunlichen Möglichkeiten böte, die der Bequemlichkeit ihrer Kunden entgegenkäme. Und zusätzlicher Service kostet natürlich Geld. Und das ist es, was man auch dort verdienen möchte, denn kein Postsystem der Welt, ob nun staatlich oder privat, arbeitet nur für den »Spaß an der Freud«.

Es fängt an mit dem Service »Mail Alert«. Für einen zusätzlichen Dollar ruft MCI Mail den Briefempfänger an, um ihn auf den Posteingang aufmerksam zu machen.

Und was ist, wenn der Briefempfänger nun gar kein »Postfach« bei MCI Mail hat? Kein Problem: Für einen Dollar mehr wird der Brief in der nächsten Großstadt ausgedruckt und mit der staatlichen Post als »First Class Mail« zugestellt. Das ist in der Regel nach 24 Stunden der Fall. Für 8 Dollar kann man sogar die Zustellung mittels Kurier am nächsten Tag verlangen, vorausgesetzt, der elektronische Brief wurde bis 23.00 Uhr eingespeichert. Und für ganz eilige Sachen gibt es noch den 4-HOUR-Service. Für sage und schreibe 30 Dollar, also 90 Mark wird die Zustellung in den ganzen USA per MCI-Mail-Boten in spätestens 4 Stunden garantiert.

Wie sehen diese gedruckten Briefe aus? Nun, im Normalfall, zum oben genannten Preis, handelt es sich um Briefpapier mit MCI-Briefkopf. Dazu wird Name und Adresse des Absenders gedruckt, dann Name und Anschrift des Empfängers, anschließend der Text und die Unterschrift in Druckschrift. Aber: Für 20 Dollar pro Jahr kann man auch seinen eigenen Briefkopf einspeichern lassen, der sogar grafische Darstellungen enthalten kann. Und für weitere 20 Dollar wird sogar unter jeden in der Ferne gedruckten Brief Ihre Original-Unterschrift gesetzt!

Aber das ist noch nicht alles. Wenn der Brief weder in der Mailbox bleiben, noch ausgedruckt werden soll, kann man auch jede beliebige Telexnummer auf der Welt als Anschrift eingeben. Vollautomatisch wird der Brief dann als Telex abgeschickt und man erhält in der eigenen Box eine Nachricht, daß alles auch angekommen ist (mit der Kennung des erreichten Telex-Anschlusses als Beweis). Dafür muß man dann natürlich die Telexgebühren bezahlen, aber die sind verhältnismäßig niedrig. Je 400 Zeichen von den USA nach der UdSSR, kosten zum Beispiel 1,82 Dollar. Und unter jedes Telex schreibt das System die »eigene« Telex-Nummer, denn von jedem Telexanschluß in der Welt kann man Briefe an MCI-Mail schicken, die einfach in der jeweiligen Mailbox des Empfängers abgelegt wird und sofort abrufbereit ist. Als Telexnummer dienen dazu die Ziffern 650 und die siebenstellige Kennziffer (ID) des MCI-Kunden. Von Deutschland aus wählt man also inklusive der Vorwahl für die USA zum Beispiel: 023-650-2412526.

Soviel generell über das Funktionieren dieses Privatpost-Unternehmens MCI Mail in den USA. Meine Freunde in Amerika, Privatpersonen und Geschäftsleute, benutzen es täglich. Und es kam wie es kommen mußte: Man fragte mich, ob ich nicht auch zwecks schnellerer Kommunikation an MCI Mail teilnehmen könnte. Keine Frage: Ich wollte schon — aber wie? Ich schrieb also an MCI Mail, Box 1001, 1900 M Street, NW Washington, DC 20036, Tel. (0012 02) 8 33 84 84, und erhielt auf meine Anfrage, ob ich von Deutschland aus an MCI teilnehmen könne, und wie das zu machen sei, die freundliche Antwort von einer Dame namens Alice J. Campbell, daß man eine »exciting news«, eine aufregenden Nachricht also, für mich hätte: Der Verkehr mit dem Ausland sei in einer Testphase. Neben der Mitgliedschaft bei MCI Mail müsse ich nur die örtliche PTT, also die Bundespost, um Zugang zu deren Datennetz bitten. Man wünschte noch viel Erfolg. Aus. Leider kein Hinweis, ob damit nun DATEX gemeint war und welche Nummern man wählen muß. Also weitergeforscht.

Inzwischen war mir zu Ohren gekommen, daß MCI und Western Union International irgendwie identisch seien. Und ich hatte mal gehört, daß WUI ein Büro in Frankfurt/M haben sollte. Die Telefonauskunft bestätigte dies und ich riskierte ein paar Einheiten. Ein freundlicher Herr mit gleichem Namen wie ich, hörte sich meine Wünsche geduldig an und hatte auch den ehrlichen Willen, mir zu helfen. Dennoch, über MCI Mail war nichts bekannt.

Keine Informationen bei der Post

Nun war das Leitungsmonopol der Bundesrepublik an der Reihe. Mein Brief an die Kundenberatung für Dateldienste beim Fernmeldetechnischen Zentralamt (FTZ) in Darmstadt wurde mit interessanten Drucksachen über DATEX und mit einem langen Telefonat beantwortet. Ein Kontakt, der übrigens noch heute besteht und dem sich manche interessante Neuigkeit entlocken läßt. Ein konkretes Ergebnis, etwa in der Form, welches Netz von Datex-P aus, also zum Beispiel WUI, RCA, ITT, TYM-NET, TELENET und so weiter angewählt werden müsse, und wie dann die Teilnehmer-Nummer von MCI Mail angefügt werden könnte, ergab das Gespräch zu meinem Kummer nicht. Aber nur ein paar Tage später rief das FTZ nochmals zurück, mit einem interessanten Hinweis: Ich möge mich doch mal an die große Kommunikationsgesellschaft TYMNET wenden. Die hätten ein Europa-Büro in Paris! Gesagt, getan, ich wollte schließlich keine Chance auslassen. Gerechterweise muß ich hier einfügen, daß dieser Tip Gold wert war, und schließlich auf die richtige Spur führte. Die TYMNET-Mitarbeiter Dominique Marchad und Jean Francois Morfin kümmerten sich mit einer überraschenden Energie und einer Fülle von Nachrichten um mein Anliegen. Nicht von ungefähr, wie ich erfuhr: TYM-NET ist verantwortlich für die internationale Aufschaltung von MCI Mail, und deren »host« 004759.

Also schnell nachgeschaut in der Datex-P Bedienungsanleitung der Bundespost: TYMNET hat die Vorwahl 0 31 06. Dazu 00 47 59, das müßte es also sein. Vorsorglich hatte ich mir bei der Post schon eine NUI besorgt, und nun konnte der Versuch mit meinem C 64, der 1541, dem Drucker Seikosha GB100VC und dem Tandy-Akustikkoppler AC-3 starten.

Die Hamburger Zugangsnummer für Datex-P war wie die anderer Großstädte der Datex-Bedienungsleitung zu entnehmen, also 441 231. Sogleich ertönt der Carrier-Ton und ich gab vorschriftsmässig .(CR) ein. Nun wurde ich nach meiner NUI und dem von der Post zugeteilten Passwort gefragt. Das System antwortete, daß meine NUI nun »aktiv« sei — was natürlich vor allem bedeutet, daß man nun die anfallenden Gebühren berechnen würde. Ich tippte auf der Tastatur 03106004759. Nach zirka 5 Sekunden kam die Antwort: »Port 48 please log in«. Hier wurde nun der Name des MCI-Mitgliedes erwartet, und zwar in der Form, daß ein Herbert Schmidt eingeben müßte: HSchmidt/half. Das »half« ist notwendig, um den MCI-Computer auf Halbduplex zu stellen. Sonst gibt es Echo-Probleme. Danach wurde das von MCI Mail zugeteilte Passwort erfragt.

Früher, so wurde mir gesagt, konnte man als Neuling als Name und als Passwort jeweils einfach das Wort REGISTER eingeben und sich dann als neues Mitglied eintragen. Wenn man das heute versucht, antwortet einem der MCI-Computer höflich, daß die Registrierung »online« nicht mehr möglich sei. Man möge bitte anrufen. Das gilt natürlich für Kunden in den USA. Wenn Sie aber so viel Geld haben, können Sie gern die oben genannte Telefonnummer anrufen. Das kostet pro Minute 6,67 Mark. In Washington ist es übrigens 6 Stunden früher als hier.

In meinem Fall hat übrigens der freundliche Mr. Morfin von TYMNET, Paris, bei einem Besuch in Washington die Registrierung vorgenommen. Eine Woche später hatte ich einen der auffälligen, orangefarbenen MCI Mail-Umschläge in der Hand, genannt »starter kit«, mit genauen Eräuterungen und meinem Passwort. Das war’s. Und sie waren zufrieden und gücklich bis … bis zur ersten Rechnung?

Nun, halb so schlimm. Die 18 Dollar bei der ersten Rechnung tun vielleicht ein wenig weh. Aber das kommt ja nur einmal im Jahr. Und zwei Briefe pro Woche abgeschickt, sind 8 Dollar im Monat, also 24 Mark. Erwartet wird aber in jedem Fall Bezahlung per Scheck in US-Dollar und nicht per Euroscheck. Auf Antrag ist auch Abrechnung über eine Kreditkarte wie VISA oder MASTERCARD (hier EUROCARD) möglich. Dazu ein Tip: bei Banken und sogar bei der Post gibt es American Express Traveller Cheques zum Dollar-Tageskurs plus 1 Prozent Versicherung in Stückelungen bis herunter zu 10 $.

In den USA zahlt man Rechnungen grundsätzlich mit Scheck per Post. An jeder Rechnung aus Amerika hängt daher ein Abschnitt, den man mit seinem Scheck zurückschickt. Und da nimmt man von Deutschland aus am besten einen Traveller Scheck, mit dem nächsthöheren Wert, schickt das Ganze per Luftpost nach Washington und bei eventueller Überzahlung wird der Restbetrag bis zur nächsten Rechnung gutgeschrieben.

Und wie sieht es nun mit den Kosten für Datex-P aus? Nun, in der Kürze liegt die Würze. Wer seine Briefe erst online »komponiert« und die Verbindung so lange stehen läßt, bis alles geschrieben ist und hübsch sauber aussieht, kann schon mal anfangen Geld zurückzulegen, damit die Rechnung der Post keine zu große Überraschung bringt. Wenn man aber ein gutes Terminalprogramm besitzt, wie zum Beispiel das TERM 64 von Higginbottom für den C 64, dann kann man Briefe als Files vorschreiben, auf Diskette speichern und dann erst die Verbindung zu MCI Mail herstellen. Die Übertragung geht dann mit Höchstgeschwindigkeit, also 300 Baud vor sich. Umgekehrt gibt es zum Auslesen der in der Mailbox etwa vorhanden Briefe einen Befehl »PRINT INBOX«. Dann kommen alle Briefe in Höchstgeschwindigkeit und ohne Unterbrechung hier an, gehen zunächst in den Terminal-Puffer, und können dann in Ruhe nach Auftrennen der Verbindung auf Floppy geladen, auf dem Bildschirm gelesen und/oder ausgedruckt werden.

5 Minuten Verbindung mit, sagen wir 4 000 Zeichen, kosten bei Datex-P neben der monatlichen NUI-Gebühr von 15 Mark und der Telefon-Ortsgesprächsgebühr von 23 Pfenningen nach den USA:

1. Zugangsgebühr DM 0,20
2. Zuschlag je Verbindung DM 0,05
3. Anpassungsgebühr je PAD-Benutzung DM 0,30
4. Zeitgebühr USA DM 1,00
5. Volumengebühr USA DM 1,00
Zusammen also DM 2,55

Datex-P-Gebühr von 2,55 Mark und MCI-Mail-Gebühr von 3 Mark ergeben also 5,55 Mark für den Brief von 4 000 Zeichen… und das ist eine ganze Menge Geschriebenes. Und mit einem kleinen Trick kann man seinen Partner in den USA schon wenige Sekunden danach veranlassen, seine Mailbox zu lesen: Man ruft ihn an, für zwei Einheiten, also 46 Pfennige, kann man schnell die Worte »MCI Mail« sagen und wieder auflegen. Das wirkt garantiert. Der Brief ist somit wenige Minuten nach dem Absenden gelesen… für runde 6 Mark. Ein Luftpostbrief, per Eilboten, 2 DIN-A-4-Seiten lang, dauert mit Sicherheit 5 Tage… mindestens… und kostet (18 Gramm) 5,50 Mark. Was sagen Sie nun?

Und kürzlich gab MCI Mail noch eine Neuerung für 1985 bekannt: Es wird der Postverkehr mit 40 Ländern aufgenommen! Und das bedeutet nicht nur elektronischen Zugang wie zur Zeit aus Deutschland, sondern auch Ausdruck und Zustellung der Post in den entsprechenden Ländern. Vielleicht kann man Briefe also ebenso schnell und preiswert nach Australien oder Südafrika schicken. Wenn das nichts ist? Aber das Schönste dabei ist doch: Es funktioniert alles ohne Probleme mit einem Commodore 64.

(Wolfgang R. Schulz/aa)
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