Taktik- und Strategiespiele
Strategie- und Taktikspiele sind in Deutschland nur wenig verbreitet.
Teilweise sind die Kriegsschauplätze und die Voraussetzungen recht makaber, denn die Amerikaner arbeiten immer noch den Zweiten Weltkrieg auf oder entfesseln wenigstens einen neuen Krieg in Europa.
Strategie- oder auch Taktikspiel ist ein sehr umfassender Begriff. Wir behandeln hier die Spiele, die sich auf die Diplomatie und den Streit zwischen verschiedenen Mächten beziehen. Für viele sind das einfach »Kriegsspiele«. Das sind sie auch. Doch nicht nur. Denn viele fördern stärker diplomatisches Geschick als Lust am Kampfgetümmel (zum Beispiel »Geopolitique 1990«),
Hier soll auch nicht über das Für und Wider von solchen Kriegsspielen diskutiert werden; Strategiespiele sind so lange gut, wie sie nicht wirklich ernstgenommen werden. Sie sollten auf alle Fälle nicht zur Verherrlichung von Kriegen beitragen. Denn der Ernstfall hat mit dem, was sich im Computer abspielt, wirklich nichts zu tun.
Strategiespiele — und im strengen Sinne gehört dazu auch das klassische Schachspiel — haben durchaus positive Ansätze. Sie fördern das logische Denken, und in gewissem Maße die Kreativität.
Entwicklung und Formen der Strategiespiele
Viele von Ihnen werden sich schon gefragt haben, woher überhaupt die Computer-Strategiespiele wie »Nato Commander« oder »Operation Whirlwind« kommen. Das ganze fing — wie soll’s auch anders sein — ohne Computer an. Bereits im frühen 15.Jahrhundert planten die Feldherren ihre Schlachten auf miniaturisierten Landschaftsmodellen vor. Bei diesen »Sandkastenspielen« wurden Zinnfiguren und kleine Modelle von Kanonen und Burgen gesetzt, um Schlachten zu planen oder nachzuvollziehen.
Aus solchen Miniaturisierungen entwickelten sich die ersten Taktikspiele, die damals allerdings zuerst den Fürstenhöfen vorbehalten waren. Schließlich konnte sich nicht jeder Zinnfiguren und ganze Landschaftsmodelle leisten. Im Lauf der Zeit entwickelten sich billigere Formen (zum Beispiel mit Holzfiguren), die vielleicht auch schon unsere Ururgroßväter im 19. Jahrhundert begeistert spielten.
Die Begeisterung nahm durch den Ersten und Zweiten Weltkrieg ab — kein Wunder, denn Krieg ist genug Grund, keine Kriegsspiele zu spielen.
Erst in den 50er Jahren kam die Spielart des Taktikspiels wieder auf. In den USA entwickelte sich das zu einem Boom, der ein paar Jahre später auch nach England überschwappte. Die restliche Welt hatte an dieser Entwicklung auf dem Spielemarkt nur sehr geringen Anteil. Die Spiele, die damals groß in Mode kamen, unterschieden sich teilweise grundlegend von der Art der Strategiespiele, die noch 50 bis 100 Jahre vorher gespielt wurden. Aus den kunstvollen Schlachtenminiaturen entwickelten sich verschiedene Formen, von denen sich die sogenannten Tabletops durchsetzten. Diese Version erforderte bei weitem weniger Aufwand als die klassischen Taktikspiele, da man die nötigen Materialien selbst herstellen konnte: ein bißchen Karton, etwas Begabung und ein einigermaßen gut durchdachtes Regelwerk. Auf den Karton wurden Landschaften, Gebirge, Städte etc. gemalt. Die so gemalten Kriegsschauplätze wurden in Hexagons (Sechsecke) unterteilt. Diese Spiele wurden dann schließlich auch verkauft, mit »Scenarios« (vorgefertigten Aufgaben), fertigen Spielbrettern mit aufgedruckten Landschaftszügen und mit sogenannten »Counters«. Counters sind quadratische Pappkartons mit ungefähr einem Quadratzentimeter Fläche, auf die Symbole für Soldaten, Panzer, Artillerie und andere Kriegsgefährte aufgedruckt sind. Die typischen Kampfeigenschaften der dargestellten Kampfeinheiten muß man dann dem Regelwerk entnehmen. Für den professionellen Vertrieb wurden also die Landschaftsmodelle durch Karton-Landschaften, die Zinnfiguren durch Counters ersetzt. Diese Tatsache machte das Taktikspiel billig und für die breite Öffentlichkeit zugänglich.
Eine luxuriösere Art der Tabletops ersetzt die Counters durch Zinnquadrate (Größe etwa zwei mal zwei Zentimeter) mit eingravierten und bemalten Formen.
Obwohl sich die Tabletops durchsetzten, wird die klassische Form des Strategiespiels noch immer gespielt: ganze Burgen und Landschaften werden als Modelle aufgebaut und Zinnfiguren entsprechend den Spielregeln hineingesetzt.
Doch nun zu den Computern: Populär wurde diese Computerspielart in den späten 70erJahren, als die Heimcomputer auf den Markt kamen. Einzelne Firmen spezialisierten sich auf die Programmierung von Taktikspielen auf Home- und Personal Computern. Wie es nach dem Durchbruch der Tabletops auch nicht anders zu erwarten war, sind die meisten Computerumsetzungen der Taktikspiele direkte Nachfahren der Tabletops.
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Arten der Strategiespiele
Taktikspiele unterteilt man allgemein in drei große Gruppen: Historische, Science-Fiction- und Fantasy-Strategiespiele.
Historische Strategiespiele:
Die geschichtlich orientierten Taktikspiele werden am meisten gespielt. Die Themengebiete reichen von Caesars Gallischem Krieg, Alexander dem Großen und seinen Eroberungen bis hin zu Napoleons Feldzügen. Im Vordergrund stehen jedoch der Erste und Zweite Weltkrieg. Zum Beispiel das Spiel »Battle for Normandy«, das in Computerform und als Tabletop-Spiel angeboten wird. »Squadleader« behandelt gleich den gesamten Zweiten Weltkrieg, es liegt jedoch nicht als Computerspiel vor. Squadleader ist das komplexeste Spiel seiner Art und wird auf Taktik-Ebene gespielt (Unterschied zwischen Taktik- und Strategie-Ebene siehe später). Das Spiel gibt es in einem mehrteiligen Set zu kaufen. In den USA werden sogar schon große Squadleader-Turniere ausgetragen.
Science-Fiction-Strategiespiele:
In diesen Spielen geht es um diplomatische Verhandlungen und Kriege, wie sie in Science-Fiction-Romanen beschrieben werden. So basiert beispielsweise das Spiel »Forever-War« auf dem Roman »Der ewige Krieg« von Joe Haldeman (eine Satire auf den Krieg im Weltall). Andere Beispiele sind: Dune (Der Wüstenplanet) und Titan. Beispiel auf Computer: The Cosmic Balance (dieses Spiel gibt es bisher nur für Apple und Atari, soll aber im Herbst in einer C 64-Version auf den Markt kommen).
Fantasy-Strategiespiele:
Diese Art des Taktikspiels ist die am wenigsten verbreitete, aber zugleich die interessanteste. Hier geht es beispielsweise um eine Schlacht zwischen 1000 Centauren und 200 Einhörnern. Bei diesem Streit kommt auch eine kräftige Portion Magie mit ins Spiel. Beispiel: Armageddon ist das in Deutschland bekannteste Fantasy-Strategiespiel und enthält Elemente aus Fantasy-Rollenspielen. Auf diesem Spiel beruht sogar eine ganze Romanreihe von Hugh Walker, die in der Fantasiewelt Magira spielt, und nach Regeln und möglichen Ereignissen des Strategiespiels Armageddon aufgebaut wurde. Ein weiteres Beispiel für Fantasy-Strategie wäre Warhammer von der Zinnfigurenfirma Citadel. Auf Computern (Commodore, Apple, Atari, IBM etc.) konnten wir bisher leider keine Fantasy-Strategiespiele ausfindig machen.
Wie man Strategiespiele spieft
Viele von Ihnen werden sich schon gefragt haben, wie man Taktikspiele spielt. Natürlich können wir nicht auf die Spielregeln und Möglichkeiten aller Taktikspiele eingehen. Grundsätzlich besteht ein großer Unterschied zwischen den Spielen auf Taktik- und Strategie-Ebene. Taktik-Ebene bedeutet, daß man detaillierter arbeiten muß, das heißt, fast jeder einzelne Soldat muß kommandiert werden. Auf der Strategie-Ebene werden ganze Armeen geführt, um beispielsweise den Feind einzukreisen. Das Strategiespiel zieht sich also über einen längeren Zeitraum hinweg, das Taktikspiel dagegen pickt sich einen bestimmten Teil heraus, der dafür um so genauer behandelt wird.
Allgemein gibt es in Taktikspielen eine Angriffsphase und eine Bewegungsphase, die man auch noch in Zwischen- und Unterphasen einteilen kann.
In der Bewegungsphase werden die Counters (am Computer die den Counters entsprechenden Grafiksymbole) nach ihren entsprechenden Fähigkeiten bewegt. Ganze Stoßtrupps sind natürlich langsam und können nur ein Feld weiterbewegt werden, motorisierte Späher dagegen können bis zu fünf Hexagons pro Runde vorwärtsbewegt werden. Ebenso zur Bewegungsphase gehören der Bau einer Brücke oder die Kommunikation zwischen Einheiten.
Ist die Bewegungsphase abgeschlossen, folgt die Angriffsphase. Die Treffgenauigkeit wird dabei ausgewürfelt oder (am Computer-Äquivalent) per Zufallszahl ermittelt. Den entsprechenden Schaden eines Treffers durch eine bestimmte Waffe holen sich dann die Spieler beziehungsweise der Computer aus Tabellen. Die Treffer wirken sich nicht nur auf die Geschwindigkeit und Kampfkraft der Truppen, sondern auch auf die Moral der Soldaten aus. Sehen wir uns nun zum besseren Verständnis der Spielgattung des Strategiespiels ein Beispiel an: Armageddon, das schon seit 1968 in einem deutschen Fantasyclub gespielt wird. Armageddon spielt in einer mittelalterlichen Welt mit magischen Kräften. Die in verhältnismäßig große Hexagons aufgeteilte Landschaft besteht aus verschiedenen Landschaftszügen: Gebirge, Hochland, Tiefland, Wälder, Steppe, Wüste, Dschungel, Wasser etc., die mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten überwunden werden. Das Spiel wird sowohl mit 15mm-Zinnfiguren als auch mit Counters gespielt. Die Zinnfiguren beziehungsweise Counters stellen bestimmte Spielfigurentypen dar: Axtträger, Bogenschützen, Lanzenträger, Schwertträger, Zauberer, Helden sowie Belagerungstürme, Wehrtürme, Onager (= Rammbock) und so weiter. Jede dieser Spielfiguren hat Stärken und Schwächen. Unter den Spielern werden verschiedene Königreiche aufgeteilt, die dann diplomatisch miteinander verkehren oder das Kriegsbeil ausgraben.
Der Ausgang der Kämpfe richtet sich nach der Intelligenz des Spielers und nach bestimmten Regeln. Die »Politik« bleibt den Spielern selbst überlassen.
Taktikspiele auf dem Computer
Strategiespiele auf dem Computer sind direkte Nachfahren der Tabletopspiele und werden auch in etwa so gespielt. Der Unterschied besteht darin, daß das Strategiespiel auf dem Computer wesentlich weniger Platz kostet und billiger ist.
Die meisten Strategiespiele auf dem Computer arbeiten ebenfalls mit dem Hexagon-System, nur wenige weichen von dieser klassischen Form ab. Wie bei den Taktikspielen ohne Computer wird auch hier nach dem Muster der Bewegungs- und Angriffsphase gearbeitet.
Den Markt für Heimcomputer-Strategiespiele beherrschen derzeit die amerikanischen Firmen SSI (Strategie Simulations Inc.) und die Avalon Hill Game Company, die sich bereits mit Strategiespielen auf dem Brett einen Namen machte. Auch so bekannte Firmen wie Broderbund und Microprose brachten schon Taktikspiele für den C 64 heraus.
Für diejenigen, die sich einmal mit Strategiespielen beschäftigen wollen, haben wir hier eine Liste von Taktikspielen für den C 64 zusammengestellt. Diese Liste erhebt keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit und soll nur einen kurzen Überblick über das bestehende Angebot geben.
Nato Commander
Die Story eines Krieges, wie ihn sich zumindest die Amerikaner vorstellen. Arbeiter in Wittenberg streiken und viele Menschen flüchten über die Grenze in den Westen. Die DDR-Regierung in Ost-Berlin beschuldigt die Bundesregierung, die streikenden Arbeiter mit Nahrungsmitteln und Waffen zu versorgen. Daraufhin droht die UdSSR, die Arbeiterrevolte mit Waffengewalt niederzuschlagen - und schon haben wir den Dritten Weltkrieg. Sie, der »Nato Commander«, müssen nun Ihre Streitkräfte gegen den Warschauer Pakt führen. Solidaritätsstreik der polnischen Arbeiter oder Nachrichtensendungen über die Verurteilung des Einmarsches der UdSSR in die DDR durch die westlichen kommunistischen Parteien sind im Spiel eingeplant. Ein interessantes und zugleich erschreckendes Spiel.
Geopolitique 1990
Ein Spiel, bei dem die Diplomatie wichtiger ist als der Krieg: Sie müssen versuchen, als US-Regierung wirtschaftliche, politische und ökonomische Vormacht zu gewinnen. Der Computer übernimmt dabei die Rolle der UdSSR. Erst, wenn alle Verhandlungen scheitern oder Sie die »falschen« Gebiete als Interessenzonen erklären, wird Geopolitique zu einem kriegerischen Strategiespiel. Die Anleitung ist allerdings sehr unübersichtlich.
Knights of the Desert
In diesem Strategiespiel geht es um den Wüstenkrieg 1941-42. Als »Wüstenfuchs« Rommel können Sie die Geschichte verändern.
Battle for Normandy
Es ist »D-Day«. Sie leiten die Alliierten-Invasion in der Normandie.
Combat Leader
Eines der besten Taktikspiele, die es für den C 64 gibt. Die Bewegungsabläufe werden nicht durch Vorrücken von Symbolen auf Hexagons dargestellt, sondern man sieht, wie die Panzer durch die Landschaft fahren. Der einzige Nachteil: Durch die schlechte Farbwahl wird der Bildschirmaufbau etwas unübersichtlich.
Operation Whirlwind
Sie sollen eine feindliche Stadt erobern, dann den Gegenangriff abwehren und schließlich gewinnen. Bemerkenswert an diesem Spiel ist die relativ einfache Bedienung.
Tigers in the Snow
Die Machart dieses Spiels entspricht Knights of the Desert und Battle for Normandy. Hier handelt es sich allerdings um die Ardennenoffensive.
Tac
Hier haben die Spieler direkten Feindkontakt. Jeder einzelne Panzer (in ziemlich großem Maßstab dargestellt) muß wie bei Combat Leader kommandiert werden.
Computer Ambush
Ein Taktikspiel, bei dem fast ausschließlich Mann gegen Mann gekämpft wird. Jeder der Soldaten hat seinen eigenen Namen und wird einzeln mit verschiedenen Waffen ausgestattet, die er auch während des Kampfes wechseln darf. Das Spiel kommt voraussichtlich Ende 1985 in einer C 64-Version auf den Markt.
The Cosmic Balance
Dieses Spiel besteht aus zwei Teilen, die sich zwar einzeln spielen lassen, aber untereinander kompatibel sind. In Cosmic Balance müssen einzelne Galaxiezonen besetzt werden. CB I ist ein Spiel auf Taktik-Ebene, der zweite Teil wird auf Strategie-Ebene gespielt. Man kann also seine Strategie mit CB II ausführen und die einzelnen Schlachten darin mit dem ersten Teil entscheiden. Dieses Science-Fiction-Strategiespiel wird voraussichtlich im Herbst 85 für den C 64 vorgestellt.
Weitere Taktik- und Strategiespiele sind beispielsweise Germany 1985, RDF 85 und Baltic 85 aus der »When Superpowers collide«-Serie, das Actionspiel mit Strategie-Elementen Combat-Lynx und einige andere.
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Strategie- und Taktikspiel — noch ein Fremdwort
Taktikspiele sind in Deutschland recht selten zu finden, und das trotz des Trends von dummen Schießspielen hin zu Denkspielen.
In den USA und England gibt es mittlerweile große Turniere für Strategie-Spiele und sogar eigene Zeitschriften, zum Beispiel Strategics&Tactics.
Wer Interesse für Strategiespiele ohne Computer hat, sollte einmal die alljährlich stattfindenden Essener Spielertage besuchen.
Nachdem wir nun über Fantasy-Rollenspiele (64'er/9/84) und über Taktikspiele berichtet haben, werden wir natürlich auch weiterhin über interessante Spielarten schreiben. Wenn Sie noch mehr Ideen und Anregungen haben, dann senden Sie diese doch an die Redaktion.
(F. Wlodarczyk/T. Weidemann/ M. Kohlen/T. Pither/rg)