Die neue Abmahnmasche: Vorsicht bei Programmangeboten

Die neueste Abmahn-Masche, mit der unterbeschäftigte Rechtsanwälte hart am Rande der Legalität zu Geld zu kommen suchen, trifft die Programmierer

So bekam kürzlich ein Leser, der eine selbstgeschriebene Grafik-Routine für 30 Mark in einer Kleinanzeige angeboten hatte, von einem Rechtsanwalt eine Abmahnung samt Gebührenforderung über 501,60 Mark (willkürlich vom Anwalt festgesetzter »Streitwert«: 20000 Mark). Begründung: In der Anzeige fehle der Hinweis, daß es sich um einen gewerblichen Anbieter handle — das verstoße aber gegen das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb.

Das wäre in Ordnung, wenn es sich bei dem Anbieter um eine Firma handeln würde — oder wenn der Softwareverkauf gewerblich betrieben würde. Nun gibt es aber viele Computerbenutzer, die zwar bereit (und vielleicht sogar interessiert sind), das eine oder andere selbstgeschriebene Programm an Interessenten abzugeben — die aber daraus keineswegs ein Geschäft oder gar Gewerbe machen wollen. Um Ärger mit gewerblich tätigen Firmen, Rechtsanwälten und vor allem dem Finanzamt zu vermeiden, sollten Sie entweder nur tauschen (Tausch zwischen Privatleuten im Rahmen ihres Hobbys ist keine gewerbliche Tätigkeit) oder darauf achten, daß Sie lediglich einen Kostenersatz berechnen. Es ist zweckmäßig, den Betrag zu spezifizieren — zum Beispiel 1,30 Mark Porto, 10 Fotokopien à 0,50 Mark, eine Diskette à 4,85 Mark und so weiter.

Wenn Sie einen — und sei er auch nur bescheiden — Gewinn erzielen wollen, müssen Sie auf schriftlichen Unterlagen in Inseraten und so weiter durch eine geeignete Angabe wie »Firma«, »Programmierbüro«, »Softwarevertrieb« oder ähnliches erkennen lassen, daß Sie sich gewerblich betätigen. Sie müssen außerdem das Gewerbe bei der Gemeinde beziehungsweise Stadt anmelden und ein Minimum an Buchführung machen, damit Sie dem Finanzamt jederzeit Umsätze, Kosten und Gewinn nachweisen können. In den meisten Fällen werden Umsatz und Ertrag so gering sein, daß ohnehin keine ernstzunehmende Menge Steuern zu bezahlen ist.

Sollten Sie als Privatmann eine Abmahnung der oben erwähnten Art bekommen, dann schreiben Sie umgehend zurück, daß Sie ihren Computer nur privat benutzen, die Programme für private Zwecke geschrieben haben und durch das Anbieten ihrer selbstgeschriebenen Progamme Kontakt zu anderen Computerbenutzern zum Zweck des Erfahrungs- und Programmaustausches suchen. Ihre selbstgeschriebenen Programme gäben Sie entweder im Tausch oder gegen Ersatz der durch Erstellen und Versenden der Kopie entstehenden Kosten ab. Falls das zutrifft, brauchen Sie auch keine Unterwerfungserklärung abzugeben und keine Gebühren zu zahlen.

(py)
PDF Diesen Artikel als PDF herunterladen
Mastodon Diesen Artikel auf Mastodon teilen
← Vorheriger ArtikelNächster Artikel →