Von der Schreibmaschine zum Textsystem
Es gibt wohl nur einen Brief, den man auch in hundert Jahren noch von Hand schreiben wird - den Liebesbrief. Für alle anderen Arten von Texten wird sich der Mensch in Zukunft aber wahrscheinlich des Computers bedienen. Wir helfen Ihnen das für Sie richtige Programm zu finden.
Ob beruflich oder privat, das geschriebene Wort läßt sich aus unserer heutigen Informationsgesellschaft nicht mehr wegdenken. Dabei wird der Anteil der im häuslichen Bereich abgewickelten Korrespondenz noch stark ansteigen. In der Industrie werden beispielsweise schon heute eine Vielzahl der Briefe nicht mehr dem nächsten Briefkasten anvertraut, sondern in Form von Daten auf elektronischem Weg übertragen. Transportzeiten von zwei oder mehr Tagen für eine Nachricht erscheinen im Vergleich zu wenigen Sekunden bei der Datenfernübertragung nahezu mittelalterlich. Diesen Vorteilen wird sich der private Anwender kaum verschließen können. Doch noch hat sich das häusliche Terminal, von dem aus jeder Post empfangen und senden kann, nicht allgemein durchgesetzt. Der Grund dafür liegt einerseits darin, daß die Post die geforderten Leistungen nicht zu einem akzeptablen Preis anbietet und andererseits darin, daß noch eine allgemeine Skepsis gegenüber diesem neuen Medium vorherrscht.
Welches Programm ist das richtige?
Die gerade in den letzten zwei Jahren sprunghaft angestiegene Verbreitung der Heimcomputer, insbesonders die des C 64, hat Signale für diese Entwicklung gesetzt. Und der eingeschlagene Weg scheint, wenn auch mit gewissen Einschränkungen, richtig. Bestes Beispiel hierfür ist die Textverarbeitung. Kaum ein Heimcomputer, für den es nicht mindestens ein Textverarbeitungsprogramm gibt. Sogar für den Sinclair ZX81 gibt es ein solches Programm. Dem Besitzer eines C 64 stellt sich das Problem aber in einer ganz anderen Form:
Welches der vielen angebotenen Programme ist für mich das richtige? Die Unsicherheit ist groß, denn bei Preisen bis zu 400 Mark für ein gutes Textverarbeitungsprogramm ist eine Fehlinvestition doch recht schmerzlich. Die vielen in der Redaktion eingehenden Anfragen zeigen, daß der Kauf eines Textverarbeitungsprogramms nur nach gründlicher Information erfolgreich sein kann.
Wie vielschichtig die Problematik ist, wird deutlich, wenn man einmal die Grundvoraussetzungen des Commodore 64 betrachtet:
- Um auch dem Besitzer eines Fernsehers ein leserliches Schriftbild anzubieten, arbeitet der C 64 mit 40 Zeichen pro Zeile. Für eine Textverarbeitung sind aber in der Regel mindestens 80 Zeichen pro Zeile notwendig, denn eine Druckzeile auf dem Papier hat meistens auch bis zu 80 Spalten.
- Der C 64 ist mit einer Vielzahl von Schnittstellen ausgestattet, allerdings mit keiner einzigen genormten (im Gegensatz zum Urvater, dem PET 2001). Der Anschluß eines nicht von Commodore hergestellten Druckers ist deshalb immer mit zusätzlichem Aufwand und Problemen verbunden:
- Die von Commodore zum C 64 angebotenen Drucker verfügen nicht über den wichtigen deutschen Zeichensatz.
- Der C 64 wurde für den amerikanischen Markt entworfen und verfügt deshalb über keine deutsche DIN-Tastatur. Hiermit verbunden ist das Fehlen der deutschen Umlaute, die für einen ordentlichen Brief unverzichtbar sind.
Andererseits ist die Tastatur des C 64 für einen Heimcomputer relativ gut und durchaus auch für längere Schreibarbeiten geeignet.
- Die Charakter-Codes des C 64 entsprechen nicht der Standard ASCII-Norm, wie sie von den meisten Druckern verwendet wird.
Erfindungsreichtum ist gefragt
Alle diese Probleme versuchen die Entwickler von Textverarbeitungsprogrammen zu überwinden — leider nicht immer mit Erfolg. Andererseits wurden aber auch Lösungen gefunden, die schon fast als genial bezeichnet werden können. Eine dieser Ideen ist das horizontale Verschieben des Textes beim Schreiben (Vizawrite, Textomat, SM-Text und andere). Auf diese Weise bleibt eine »lesbare« Zeichengröße erhalten, der Text kann aber schon beim Schreiben formatiert werden.
Ein anderes Programm zeigt den geschriebenen Text auf Wunsch in seiner späteren Form. Dazu wird die Zeichenbreite halbiert, so daß achtzig Buchstaben nebeneinander Platz finden (Homeword).
Die Programmierung eines neuen Zeichensatzes mit deutschen Umlauten und eine Neubelegung der Tastatur nach DIN, gehört bei den Spitzenreitern dagegen schon zum Standard. Um mit möglichst vielen Druckern zusammenarbeiten zu können, haben einige Programme Auswahlmenüs zur Einstellung der Druckerparameter. Andere wiederum bedienen sich intelligenter Tricks um auch aus den Commodore-Druckern deutsche Umlaute herauszulocken (im Grafikmodus).
Einkauf mit Checkliste
Ginge es nur nach den anpreisenden Werbetexten auf den Verpackungen der verschiedenen Programme, dann wäre jedes das richtige. Doch leider treten Probleme grundsätzlich nie beim Kauf, sondern erst viel später, zu Hause bei der Arbeit, auf. Dann aber ist ein Umtausch oft nicht mehr möglich (Aufschrift: Nach dem Öffnen des Siegels ist jeder Umtausch ausgeschlossen). Deshalb hier eine Checkliste, die zusammen mit einer guten Fachberatung das Risiko vermindern hilft:
- Regel 1: Werden Sie sich klar, was Sie eigentlich wollen. Stellen Sie sich dazu das Leistungsprofil der für Sie wichtigen Punkte an Hand der Tabelle 1 (Hardware) und Tabelle 2 (Software) zusammen.
- Regel 2: Planen Sie weitsichtig. Auch wenn Sie heute die eine oder andere Funktion nicht brauchen; morgen ist es vielleicht anders.
- Regel 3: Planen Sie Hardware und Software gemeinsam. Oft kann die Leistungsfähigkeit einiger guter Textverarbeitungsprogramme nicht ausgenutzt werden, weil die entsprechenden Voraussetzungen von Seiten der Ausstattung nicht gegeben sind. (Tip: Kaufen Sie Peripheriegeräte lieber eine Nummer größer, denn mit steigenden Fähigkeiten wachsen die Ansprüche).
- Regel 4: Informieren Sie sich, ob die gewünschte Hardwarekombination auch mit dem geplanten Programm einwandrei funktioniert. Dieser Punkt ist besonders wichtig, wenn Geräte eines anderen Herstellers am Commodore 64 betrieben werden sollen. Man braucht dazu in der Regel ein spezielles Interface, das alle Anpassungen vornimmt. Nun gibt es für jeden Zweck leider die verschiedensten Arten von Schnittstellen. Dabei ist die teuerste nicht immer die beste. Gerade die Vielzahl der Funktionen, die manche Schnittstellen anbieten, behindern die einfache Anwendung.
- Regel 5: Achten Sie auf gute Programmdokumentation. Ganz entscheidend dafür, was Sie später aus einem Programm herausholen, ist die Qualität der Anleitung. Lassen Sie sich nicht dazu verführen, ein möglicherweise preiswertes Programm mit englischer Anleitung zu erstehen, wenn Sie nur etwas Schulenglisch beherrschen. Gerade bei Bedienungsanleitungen erschweren häufige Fachausdrücke das Verständnis. Aber auch deutschsprachige Anleitungen haben ihre Tücken. Drei oder vier windige Blättchen, mit einer Heftklammer zusammengehalten, sind kein Ersatz für eine umfangreiche Dokumentation.
- Regel 6: Entscheiden Sie selbst. Das Programm, das für Ihren Freund richtig ist, muß nicht unbedingt für Sie passen. Oft sind auch, seitdem Ihr Freund sein Programm erstanden hat, wesentlich bessere Programme erschienen.
- Regel 7: Probieren Sie so viel wie möglich aus. Auch wenn Sie glauben, das richtige Programm gefunden zu haben, probieren Sie es bei Ihrem Fachhändler selbst aus. Nur dann können Sie merken, ob nicht doch die eine oder andere Eigenheit des Programms nicht in Ihr Konzept paßt. Zwischen Funktionsqualität und Bedienungskomfort besteht leider häufig ein großer Unterschied.
Matrixdrucker (flexibel und schnell) | ☐ |
Typenraddrucker (sehr gute Schrift, aber langsam und laut) | ☐ |
Commodore-Drucker (direkt anschließbar, aber keine Umlaute) | ☐ |
Drucker von einem Fremdhersteller (große Auswahl, aber Interfaceproblem) | ☐ |
Einzelblatteinzug und/oder | ☐ |
Traktorführung für Endlospapier mit Lochrand | ☐ |
Sonstige Merkmale: | |
Fettschrift | ☐ |
Eliteschrift | ☐ |
Kursivschrift | ☐ |
Unterstreichen | ☐ |
Breitschrift | ☐ |
Umlaute | ☐ |
Geschwindigkeit | ☐ |
Schriftbild | ☐ |
Pufferspeicher | ☐ |
Tabulatoren | ☐ |
Geräuschpegel | ☐ |
Ladbarer Zeichensatz | ☐ |
Grafikfähigkeit | ☐ |
Bildschirmdarstellung (40/80 Zeichen pro Zeile, horizontales Verschieben) | ☐ |
Editieren (Zeichen oder blockweise) | ☐ |
Kopieren von Textteilen | ☐ |
Verschieben von Textteilen | ☐ |
Einstellen der Floppy-Druckparameter | ☐ |
Tabulatoren | ☐ |
Ansprechen der Druckersonderfunktionen | ☐ |
Spezieller Druckmodus für verschiedene Drucker | ☐ |
Einfügen, Anhängen von Text von Diskette | ☐ |
Rechenfunktion | ☐ |
Schnittstelle zur Datenverwaltung | ☐ |
Worttrennung am Zeilenende | ☐ |
Justierungsbefehle (Blocksatz, links-rechtsbündig) | ☐ |
Formularfunktion | ☐ |
Verarbeitungsgeschwindigkeit | ☐ |
Textspeichergröße | ☐ |
Eingebaute Druckerschnittstelle | ☐ |
Löschfunktion | ☐ |
Disketten DOS-Befehle | ☐ |
Disketten Directory ohne Textverlust | ☐ |
Textzusatzspeicher | ☐ |
Seitennumerierung | ☐ |
Aneinanderhängen verschiedener Texte | ☐ |
Drucken von Diskette | ☐ |
Schreibmaschinenfunktion | ☐ |
Kopf- beziehungsweise Fußnoten | ☐ |
Grafikzeichen verfügbar | ☐ |
Deutsche Tastatur | ☐ |
Deutsche Umlaute auch auf CBM-Druckern | ☐ |
Finden von Textteilen | ☐ |
Austauschen von Textteilen | ☐ |
Seiteneinteilung | ☐ |
Schnelles Durchblättern des Textes | ☐ |
Automatischer Seitenvorschub | ☐ |
Anpassung an verschiedene Interfaces | ☐ |
Platzhalter im Text | ☐ |
Farbeinstellung | ☐ |
Hilfsmenüs | ☐ |
Einige der nun folgenden generellen Punkte sollten Sie aber auf jeden Fall berücksichtigen.
- Menüstruktur
Es gibt Textverarbeitungsprogramme, bei denen Sie sich jedesmal durch eine Unzahl von Menüs kämpfen müssen, bevor Sie zum eigentlichen Schreiben kommen. Ein gutes Programm kommt mit einem Menü aus, bei dem Sie entscheiden, welche generelle Funktion Sie wünschen. Farbeinstellungen, Datumsausgabe, Parametereinstellungen (Floppy, Drucker) sollten nur dann vom Programm abgefragt werden, wenn Sie das wünschen.
- Manche Programme werden mit zunehmender Textmenge immer langsamer (hauptsächlich Basic- und compilierte Basic-Programme). Füllen Sie mit der Copy-Funktion (falls vorhanden) einmal probeweise den Speicher. Wenn dann ein problemloses Schreiben noch möglich ist, können Sie diesen Punkt Ihrer Liste streichen.
- Achten Sie auf eine Erweiterungsfähigkeit des Programms. Sinnvolle Ergänzungen sind beispielsweise eine Datenverwaltung (für Serienbriefe) oder eine Rechtschreibhilfe.
- Vergleichen Sie die Textspeicherkapazität verschiedener Programme. Sie schwankt zwischen 17000 und 34000 Zeichen.
- Ein professionelles Programm sollte frei von unsinnigem Ballast sein. Ständig verfügbare Hilfsanweisungen kann sich ein relativ kleiner Computer wie der C 64 kaum leisten, denn sie verbrauchen nur unnötig Speicherplatz, wenn Sie das Programm erst einmal beherrschen gelernt haben. Nur für die Einarbeitungszeit ist es sinnvoll diese Hilfskommentare als Textfiles auf Wunsch von der Diskette laden zu können.
- Das Aufrufen einzelner Funktionen darf nur wenige Tastendrücke erfordern. Es gibt Programme, bei denen vor jedem Ausdruck bis zu zehn Tasten gedrückt werden müssen. Gute Programme kommen mit drei bis vier Tastenbetätigungen aus.
Damit wären eigentlich die wichtigsten Punkte gesagt. Eine Entscheidung muß letztendlich jeder selbst treffen, denn nicht jeder stellt die gleichen Ansprüche oder kann 300 Mark für ein Programm ausgeben. Beherzigen Sie die hier gegebenen Ratschläge, dann kann eigentlich einer produktiven Textverarbeitung nichts mehr im Wege stehen. Sie werden sehen, wie angenehm es ist, mit Wörtern und Buchstaben zu jonglieren, ohne dabei ganze Papierberge in Abfall zu verwandeln.
(Arnd Wängler/gk)